Einblicke in das harte Leben der Siegerländer Bergarbeiter
Wilnsdorf. (sk) Das Eisen hat die Wirtschaft des Siegerlandes seit der Früh-La-Tène-Zeit maßgeblich beeinflusst, die Landschaft geformt, das Wesen der hier lebenden Menschen bis in die Neuzeit geprägt. Bergbau, Forstwirtschaft und Köhlerei lieferten den Rohstoff, der für die industrielle Verhüttung von Eisen und Stahl im Siegerland nötig waren.
Die im Siegener Leimbachtal gelegene ehemalige Eisenerz-Grube Ameise hatte im Jahr 1931 eine Belegschaft von 280 Mann, die jährlich 70 000 Tonnen Erz aus den 850 Meter tiefen Tagesschacht förderte. Die Gesamtteufe betrug 990 Meter. Die Grube Ameise war seit 1915 im Besitz der Rheinischen Stahlwerke und erhielt damals eine Seilbahn, um das gewonnene Erz zur Eisen-Verladestation in der Siegener Eintracht zu transportieren. Dies geschah mittels Hängeloren, die über das Leimbachtal und den Rosterberg bis zur Eintracht im Siegtal geführt wurden. Der karge Boden des Siegerlandes konnte seine Bewohner von jeher nicht ernähren. So bot, wie andere Erz-Gewinnungsstätten im Siegerland auch, die Grube Ameise - im Volksmund "Ämes" genannt - ein halbes Jahrhundert lang, also bis zu ihrer Schließung im Jahr 1958, den Menschen aus Eisern, Obersdorf, dem Weißtal, der Dillkreis-Gemeinde und den Siegenern Lohn und Brot.
Das am Freitag eröffnete Bergwerksmuseum auf dem Grimberg in Niederdielfen gibt dazu bemerkenswerte Einblicke in das Leben und Arbeiten jener Zeit. Viele Menschen aus dem Bereich der heutigen Gemeinde Wilnsdorf fanden Arbeit in der Grube Ameise. Viele mussten damals Tag für Tag auf Schusters Rappen den Weg zur Grube und nach Schichtende auch wieder nach Hause antreten.
Zehn Stunden täglich Von einer 40-Stunden-Woche konnte keine Rede sein. Zehn Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche musste das Erz mühsam gebrochen werden. Viele kämpften dabei nicht nur mit dem harten Stein, sondern auch gegen ihren Hunger. Etliche Grubenarbeiter nahmen Speck mit, um sich daran "satt zu kauen". Ältere Siegerländer wissen davon zu berichten, dass es damals schon etwas Besonderes war, wenn man nicht im Erzbergbau, sondern in anderen Sparten sein Berufsleben begann. Letztlich war die Arbeit unter Tage mit etlichen Gefahren verbunden. Wassereinbrüche, Schachteinstürze oder auch die bei den Bergleuten gefürchtete Staublunge seien stellvertretend genannt. Noch in den 50-er Jahren gab es Todesfälle in der Grube Ameise zu beklagen. Im Schnitt ein toter Arbeiter pro Jahr. Dabei hatten sich nach dem Krieg die Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert. Auch in der Grube Ameise wurde seit den 30-er Jahren nicht mehr trocken, sondern nass gebohrt. Mit dem positiven Effekt, dass etwa die Zahl der an einer Staublunge erkrankten Arbeiter zurückging.
Ein Fortschritt war auch, dass die Loren nicht mehr von Hand oder von Pferden gezogen werden mussten, sondern dies von nun an elektrisch betriebene Fahrzeuge erledigten.
In der Grube Ameise waren in den späten 50-er Jahren die Eisenerz-Vorkommen weitgehend ausgebeutet. Vor dem Hintergrund der nationalen Absatzkrise und dem wachsenden Konkurrenzdruck aus dem Ausland, das günstiger Erz fördern konnte, kam das Ende für die Grube Ameise nicht überraschend. Die verbliebenen Arbeitskräfte wurden in anderen Betrieben untergebracht. Der Eisenerzabbau im Siegerland wurde Mitte der 60-er Jahre endgültig eingestellt. Am 31. März 1965 wurde die letzte Grube geschlossen.
Die Gebäude und Förderanlagen der Grube Ameise zerfielen im Laufe der Jahre. Bis Mitte der 70-er Jahre wurde ein Gebäude gastronomisch genutzt. Spaziergänger oder Fußballfans, die zum nahe gelegenen Leimbachstadion unterwegs waren, legten in der Gruben-Kneipe für ein Glas Bier gerne eine kleine Rast ein. Gegen Ende der 80-er Jahre jedoch mussten die verbliebenen Ruinen der "Ameise" abgerissen werden, da erhöhte Unfallgefahr bestand. Heute erinnern lediglich ein Betonpfeiler und ein paar Haufen Schutt, zudem ein zugewachsener Gedenkstein an die Grube Ameise.