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Überraschung unter Tage: Ur-Bakterien in stillgelegten Kohlezechen produzieren Biogas. Durch diese Entdeckung bekommen alte Bergbauschächte eine neue Perspektive.

Aus der FTD vom 24.1.2005 [B]Neues Leben in alten Flözen [/B] Von Volker Mrasek [I]Überraschung unter Tage: Ur-Bakterien in stillgelegten Kohlezechen produzieren Biogas. Durch diese Entdeckung bekommen alte Bergbauschächte eine neue Perspektive.[/I] Ein See tief im Gebirge, Hunderte von Metern unter der Erde. Kein Tageslicht dringt in die Finsternis der alten Bergwerksstollen. Und doch regt sich etwas in der Schattenwelt. In vermoderten Holzresten und auf uralter Kohle nisten Mikroorganismen. Anspruchslose Einzeller, die weder Sonne noch Sauerstoff brauchen, um in der unterirdischen Einöde zu überleben. Nur einfache Kohlenwasserstoffe und Kohlendioxid. Lange ahnte niemand etwas von ihrer Existenz. Inzwischen steht fest: Auch wenn der letzte Bergmann das Licht ausknipst, ist noch Leben in verlassenen Steinkohleflözen. Wenn das Grubengebäude wieder mit Wasser voll läuft und die Stützhölzer in den Stollen allmählich vermodern, übernehmen Heerscharen primitiver Mikroorganismen das Regiment im alten Bergwerk. Und nicht nur das: Die heimlichen Bewohner liefern sogar Energie. Sie produzieren als Brennstoff nutzbares Methan, eine Art Bio-Erdgas. Und das vermutlich in großen Mengen. Den Beweis für die Existenz der mikrobiellen Methanproduzenten erbrachte Thomas Thielemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Mit seinen Kollegen untersuchte der Geologe Grubenwasser aus bis zu 1178 Meter tiefen, stillgelegten Steinkohlezechen des Ruhrgebiets. In vier von sechs Proben lebten Archaebakterien, eine Urform irdischer Organismen, simpler noch als gewöhnliche Bakterien. Zuletzt gelang es dem BGR-Team, die Unterweltler mittels Erbgutanalyse zu identifizieren: Es sind Vertreter einer Art namens Methanocalculus pumilus. Neue Perspektive für den Bergbau Durch diese Entdeckung bekommt der Bergbau eine neue Perspektive. Aus klassischen - und irgendwann erschöpften - fossilen Lagerstätten könnten unerschöpfliche Energiequellen werden. Wie viele Urbakterien unter Tage leben und welche Mengen Methan sie bilden, ist noch nicht geklärt. Doch die Euphorie ist stellenweise groß, etwa auf der anderen Seite des Atlantiks, im Powder River Basin (PRB), einem ausgedehnten Kohleabbaugebiet im US-Bundesstaat Wyoming. Auch von dort melden Geoforscher jetzt, dass in den Flözen Mikroben hausen und Methan produzieren. Die Firma Luca Technologies in Denver hat sich das Ziel gesetzt, die Einzeller für die Energieversorgung von morgen zu nutzen. Geschäftsführer Robert Pfeiffer spricht von "lebenden Bioreaktoren". Er glaubt, dass sie "für Jahrhunderte" laufen und Erdgas ausspucken könnten - ja, dass sie sich sogar steuern und in ihrer Leistung hochkitzeln lassen, wenn man das Wachstum der Ur-Bakterien vor Ort durch die Zufuhr von Nährstoffen fördert. Im Labor sei das Forschern seiner Firma bereits gelungen. "Wenn wir die Bioreaktoren in den Kohlerevieren zusätzlich stimulieren können, dann ergibt sich eine neue bedeutende Energiequelle." Gasfabriken unter Tage Die Archaebakterien sind nicht die einzige Gasfabrik unter Tage. Dort, wo Kohle abgebaut wird, fällt immer schon methanhaltiges "Grubengas" an. Noch Jahre nach dem Abbaustopp strömt es aus der zerrütteten Lagerstätte nach und geistert durch die verlassenen Bergwerksstollen. Es stammt aus der Kohle selbst. Das schwarze Gold ist von feinen Hohlräumen durchzogen. "Seit Urzeiten" sei darin Methan gebunden "wie Kohlensäure in Wasser", sagt Clemens Backhaus, Grubengas-Experte am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen. Beim Abbau in der Lagerstätte wird das Methan freigesetzt und muss schon aus Sicherheitsgründen abgeführt werden: Die Luft in den Stollen kann sich bereits bei einem Methangehalt von wenigen Prozent entzünden. Inzwischen wird Grubengas immer stärker genutzt. Im Ruhrgebiet sind in den vergangenen Jahren an über 30 Zechenstandorten Blockheizkraftwerke aufgestellt worden, die das Methan verfeuern und Strom und Wärme daraus erzeugen. Dass das Brenngas aber durch Mikroben nachgeliefert wird, ist neu. "Wie viel Gas hinzukommt, wissen wir noch nicht", bedauert BGR-Geologe Thielemann. Dazu müssten erst weitere Probebohrungen im Ruhrrevier abgewartet werden. Quelle: [URL=http://www.ftd.de/tm/rd/1106385287798.html?nv=hpm]Finacial Times Deutschland[/URL]