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14.1 Die Einseiltechnik

Wir können im Umfang dieses Hefts keine umfassende Darstellung der Seiltechnik mit allen Finessen bringen. Davon abgesehen, daß wir auch nicht alles wissen, ist das Thema zu umfangreich für die gedrängte Darstellung in einem Handbuch. Vorgestellt werden bewährte, anerkannte Standardmethoden, die eine Bewältigung aller auftretenden Situationen zulassen, wenn es auch im Einzelfall elegantere Lösungen als die vorgestellten geben mag. Wir verweisen ausdrücklich auf die weiterführenden Informationen in zahlreichen Büchern, die sich sehr anschaulich und umfangreich diesem Thema widmen. Dies trifft insbesondere auf Spezialtechniken zur Verletztenbergung zu, auf die hier nicht eingegangen wird. Empfehlen können wir zum Beispiel die Literatur [1], [40].

Unbedingt notwendig ist das Studium der Bedienungsanleitungen der verwendeten Ausrüstungsteile. Die hier gegebenen allgemeinen Darstellungen können die speziellen Hinweise zu den konkreten Gerätschaften nicht ersetzen! Anschauliche Darstellungen sind in den Produktunterlagen der Firma Petzl enthalten (ein Teil der Abbildungen im Heft stammt von dort), auch der Katalog bietet manchen wertvollen Tip, ebenfalls die Internetseite, siehe Kapitel 17.6.5.

Wenn hier mehrfach auf Produkte der Firma Petzl verwiesen wird, heißt das im übrigen nicht, daß wir unter Vertrag stehen, sondern Petzl ist einfach ein Marktführer in Sachen Speleoausrüstung, hat die technische Entwicklung entschieden beeinflußt und Standards gesetzt. Deswegen können Produkte anderer Hersteller genauso gut oder besser sein.

Es ist prinzipiell möglich, sich die Seiltechnik selbst anzueignen, zunächst in Trockenübungen über Tage, dann bei kleineren Touren unter Tage beginnend. Das ist jedoch der schwierigere Weg. Einfacher hat es, wer sich die nötigen Handgriffe zeigen lassen kann.

14.2 Historische Entwicklung der Seiltechnik

Die Seiltechnik in der in der Altbergbauforschung eingesetzten Form entwickelte sich weltweit parallel etwa ab Ende der 60iger Jahre in Gebieten mit großer Höhlendichte. Daraus resultieren regionale Unterschiede zwischen den zum Beispiel in den USA, Australien oder Europa eingesetzten Systemen. Für die Entwicklung in Europa war die Entwicklung in Frankreich als einem Land mit großer Höhlenforschertradition ausschlaggebend, eng verknüpft mit dem Namen Petzl. Da die im Altbergbau eingesetzte Seiltechnik identisch mit der in der Höhlenforschung üblichen ist, sind deren Lehrbücher 1:1 verwendbar und man wird im folgenden auch immer wieder über speziell für die Höhlenforschung (Speleologie) entwickelte Geräte stolpern, die sich von denen fürs Freiklettern unterscheiden.

Im Gegensatz zum Klettern über der Erde steht der sportliche Aspekt bei der Altbergbauforschung völlig im Hintergrund, es kommt ausschließlich auf die sichere Bewältigung gegebener Schwierigkeiten an. Wenn es einen eleganten und einen weniger eleganten, aber sichereren Weg gibt, wählt man den sichereren. Wem es um sein Image als Extremsportler geht - keine Sorge, es bleibt auch so genug übrig.

Alles begann mit dem Einsatz von Strickfahrten (Strickleitern), mit denen kurze vertikale Distanzen gut überwunden werden können, die einfach in der Handhabung sind und keine zusätzliche Spezialausrüstungen erfordern. Man ging dazu über, auch größere Distanzen bis 100 m mit Strickleitern zu überwinden und stieß rasch an die Grenzen dieser Technik. Der Aufsteig an der schwankenden Leiter ohne Zwischenaufenthalt über solche Strecken ist sehr kräftezehrend und ermüdend, Reflexreaktionen nach Steinschlag können Absturz zur Folge haben. Man sicherte daher den Steigenden zunächst mit einem Sicherungsseil. Dieses konnte, mit den aus dem Alpinismus bekannten Hilfsmitteln, natürlich gleich zum Abseilen verwendet werden. Nach kurzer Zeit wurde dann auch mit mechanischen Hilfsmitteln aufgestiegen - die Seiltechnik war „erfunden“. Die heute übliche Variante firmiert als Einseiltechnik (es wird nur ein Seil verwendet, kein Doppelseil), englisch Single Rope Technic - SRT.

14.3 Allgemeine Hinweise zum Material

Ein paar allgemeine Tips lassen sich zum Material abgeben. Im Bergbau wird generell das gleiche Material wie in der Höhlenforschung verwendet. Ein Unterschied beeinflußt jedoch die Wahl: In der Höhle vorkommende Wässer sind selten chemisch aggressiv, im Bergbau ist das die Regel. Daher sollte man, hat man die Wahl, auf Edelstahl oder Titan statt Aluminium zurückgreifen. Natürlich fault kein Alukarabiner während der Befahrung durch, aber angeätzt ist er recht schnell. Besonders bei Festinstallationen (Bohrhaken, Laschen in häufig befahrenen Schächten und dergleichen) sollte man daher zu Edelstahl anstatt Alu und Stahl greifen. Das Mehrgewicht spielt gegen die ohnehin transportierten Kilo Schlamm keine Rolle.

Auch in Beziehung auf das Seilmaterial ist Vorsicht angeraten – jüngstes Praxisbeispiel ist eine Strickfahrt, die etwa ein viertel Jahr in einem gewöhnlichen Schacht hing und deren Reepschnüre bei der folgenden Befahrung rissen. Eine Analyse der dortigen Grubenwässer ergab einen pH-Wert von 3!

Weiterhin sollte jedes Ausrüstungsteil in jeder Situation unverlierbar befestigt werden können (besonders wichtig für die Seiltechnik-Gerätschaften) und möglichst unkompliziert bedienbar sein, idealer Weise mit nur einer Hand. Zum Beispiel sind Seilklemmen, die man zum Seileinlegen auseinanderschrauben muß und anschließend wieder zusammenfummeln darf, nur zum Wegwerfen geeignet. In ähnlicher Weise unbrauchbar sind Multifunktionsgerätschaften mit diversen Hebelchen - lieber zwei bewährte, unkomplizierte Einzelgeräte.

14.4 Strickfahrten (Strickleitern)

Wie gerade beschrieben, sind Strickfahrten für kurze Distanzen gut geeignet: Man benötigt keine zusätzliche Spezialausrüstung und hat, wenn es sich um wenige Meter handelt, auch ein geringeres Gewicht zu tragen, als wenn jeder in der Gruppe seine persönliche Seilausrüstung mitbringen muß. Zudem kann man gegenüber dem doch etwas umständlichen Gebastel mit der Seiltechnik auch Zeit sparen - immer auf kurze Distanzen bis etwa 15 m gesehen. Darüber hinaus werden die Vorteile schon zweifelhaft, von Sicherheitsfragen ganz zu schweigen.

Gestiegen wird auf der Strickfahrt so, daß man möglichst wenig an den Armen hängt. Dazu wird abwechselnd ein Fuß normal von vorn und der nächste von hinten auf die Sprosse gesetzt, wie in Abbildung 129 dargestellt. Auch der Schub nach oben sollte tunlichst aus den Beinen kommen, die Arme dienen nur zum Halten des Gleichgewichts. In tonnlägigen Schächten dreht man die Strickfahrt so, daß sie senkrecht zum Liegenden zu stehen kommt, sonst hat man Schwierigkeiten mit dem Hineingreifen und -treten.

Abbildung 129: Richtiges Steigen auf einer Strickfahrt

Die käuflichen Stahlseilleitern sind relativ teuer, mit etwa 20 DM/m muß man rechnen. Dafür ist man sicher, was die Tragfähigkeit betrifft, und hat noch ein paar Extras, die man beim Eigenbau in der Regel nicht hinbekommt. So kann man die Fahrten mittels der sogenannten „Hadesringe“ beliebig verlängern (Abbildung 130).

Der Eigenbau von Strickfahrten bis etwa 10 m Länge ist mit Reepschnur noch ganz gut machbar, die für das „Hochnageln“ in Schächten hilfreichen „Fifis“ (kurze Strickfahrten) von 2,00 m bis 2,50 m Länge wird man sich ohnehin selbst fertigen (vergleiche Kapitel 14.8.3).

Abbildung 130: Hadesringe zum Verbinden von Strickfahrten

Das verwendete Seilmaterial soll die auftretenden Lasten aufnehmen können und möglichst wenig Dehnung aufweisen. Für den Mantel ist eine hohe Scheuerfestigkeit erforderlich, da er sich sonst schnell an den Sprossenkanten durchreibt. Optimal ist Kevlar, aber auch sehr teuer. Eingesetzt werden vorzugsweise statische Reepschnüre von 5 mm Durchmesser, die einzeln eine Bruchlast von rund 550 kg aufweisen. Das erscheint etwas hoch gegriffen, aber so kann man davon ausgehen, daß auch bei eingetretener leichter Beschädigung (die äußerlich oft nicht einmal sichtbar ist) noch ein einzelner Seilstrang das gesamte Gewicht des Befahrers sicher trägt, falls der andere gerissen ist oder die Leiter auch nur einseitig belastet wird. Zudem liegt die Reepschnur in Knotenbereich in einem ziemlich engen Biegeradius, was die Bruchlast um 20...40 % herabsetzen kann. Auch beim Lauf über eine Kante treten engen Biegeradien auf. Wer gern etwas sinnlos riskiert oder wem der Groschen je Meter Reepschnur gegenüber der 4 mm Reepschnur zu schade ist, der kann auch diese einsetzen, die Bruchlast liegt in diesem Fall bei 350 kg und man hat viel schwerer gegen die Seildehnung zu kämpfen.

Als Sprossenmaterial geeignete starke Aluminiumprofile erwischt man oft im Bunt­metallschrott als Abfallprodukt der Fensterherstellung. Die Biegefestigkeit kann man mit den einschlägigen Formeln der Mechanik nachrechnen oder am besten ausprobieren. Zum Probieren fertigt man eine Sprosse in der geplanten Weise, hängt sie mit Reepschnüren wie in der fertigen Leiter auf und belastet sie mittig mit etwa 200 kg. Da beim Benutzen der Strickfahrt, die nur statisch belastet wird, keine höheren Kräfte auf die Sprosse wirken werden, kann man sie, wenn keine Verformungen eingetreten sind, unbedenklich einsetzen. Garantien kann natürlich bei einem solchen Selbstbau keiner übernehmen.

Die Druckfestigkeit des Sprossenmaterials spielt beim Selbstbau mit Reepschnüren eigentlich keine Rolle. Die Sprossen werden abgelängt (eine Breite von 15 cm zwischen den Seilen ist das Minimum) und gebohrt. Die Bohrungen sollten nur geringfügig größer sein (etwa 0,5 mm) als der verwendete Seildurchmesser. Es ist besonders wichtig, die Bohrungen sauber zu entgraten, um jede mögliche Scheuerstelle zu vermeiden. Es gibt auch fertige Sprossen zu kaufen (zum Beispiel bei Speleo Innovations).

Die Sprossen werden aufgefädelt und oben und unten durch einen Knoten gesichert. Der obere Knoten ist nicht unbedingt erforderlich, aber für ein besseres Handling der fertigen Leiter empfehlenswert. Die Sprossen bekommen einen Abstand von 30...35 cm. Es macht immer Schwierigkeiten, den Knoten auf beiden Seiten der Sprosse gleich hoch zu plazieren, so daß die Sprosse zum Schluß nicht schief steht. Um das zu erreichen, knotet man zuerst die oberen Schlaufen (Augen) an jeden Seilstrang (Achterknoten, Abbildung 134), hängt beide Augen in einen Karabiner und zieht die Seilstränge straff. Einfach geht das zum Beispiel, wenn man die beiden unteren Enden verknotet (oder noch als Schlaufe läßt), sie an einem Pfahl festlegt und mit der Abschleppöse am Auto die andere Seite straff zieht. Nun markiert man beide Stränge parallel im gewünschten Abstand (+1 cm für jeden Knoten) und schlägt die Knoten (einfache Sackstiche) dann so, daß die Markierung immer an der selben Stelle des Knotens zu sitzen kommt.

Vor dem Einsatz im Bergbau sollte man nochmals draußen testen, am besten mit einem Seil gesichert. Nach jedem Einsatz werden die Strickfahrten, wie überhaupt jeder Ausrüstungsgegenstand, auf Beschädigungen durchgesehen und unbrauchbar gewordenes Material aussortiert - auch wenn’s schwerfällt.

Prinzipiell kann man natürlich auf diese Weise beliebig lange Fahrten bauen. Zum einen ist aber die Absturzgefahr zu bedenken, zu anderen spielt man schon auf einer 10 m-Reepschnurfahrt infolge der Seildehnung heftig Jojo. Bei außermittiger Belastung zieht sich die Fahrt ganz schnell schief, wodurch man noch mehr auf die Seite rutscht...

Diese Effekte werden mit einer Stahlseilleiter, bei welcher das Seil sich fast überhaupt nicht dehnt, natürlich vermieden. Die Möglichkeiten zum Eigenbau sind aber begrenzt. Die Bruchlast des verwendeten Stahlseils (im Normteilehandel erhältlich oder im Baumarkt) sollte bei mindestens 500 kg liegen, es muß mindestens verzinkt sein. Für die Sprossen gilt das oben gesagte, allerdings sollte man hier die Druckfestigkeit des Materials an der Auflagestelle der Sprossen nachrechnen und, falls erforderlich, Scheiben zwischenlegen. Das Knoten von Stahlseilen ist generell nicht zu empfehlen, da dabei die Bruchlast unkontrollierbar heruntergesetzt wird. Die oberen und unteren Aufhängungen werden mittels Seilkauschen gebildet, für die Befestigung der Sprossen bietet sich das Auflöten oder das Aufpressen von Hülsen an. Auflöten kann man Hülsen aus dünnem Kupfer- oder Messingrohr (im Baumarkt erhältlich) mit einem starken elektrischen Lötkolben. Auch dabei ist es vorteilhaft, die fertig aufgefädelte Strickfahrt zwischen Pfahl und Auto waagerecht straff zu spannen. Aufgepreßt werden Stahlhülsen mittels einer speziellen Presse. Hat man die nicht selbst zur Verfügung, kostet eine Hülse einschließlich Aufpressen etwa 2 DM, wodurch man auch bei Eigenbau schnell bei 20 DM je Meter Fahrt anlangt.

Der Ausweg aus dem Dilemma liegt eigentlich nur im Ankauf von entsprechenden Fahrten durch einen Verein, der sie dann den Mitgliedern zur Verfügung stellen kann.

Für den Einsatz von Strickfahrten unter Tage sind die gleichen Regeln zu beachten wie beim Einsatz von Seiltechnik: Man bleibt nicht im Steinschlag stehen, setzt ordentliche Aufhängungen und läßt die Fahrt nicht über Kanten laufen.{mospagebreak}

14.5 Die persönliche Seilausrüstung

14.5.1 Das Seil

Das Seil ist das zentrale Element der Seiltechnik. Wenn man die Einseiltechnik richtig anwendet, führt ein Versagen eines anderen Elementes nicht unmittelbar zu einer Gefährdung des Befahrers (man hängt immer mit mindestens zwei Punkten am Seil). Ein Seilriß führt bei der Einseiltechnik zum Absturz. Dennoch ist ein zweites Seil nicht erforderlich, da die Sicherheit bereits im Seil steckt. Die Bruchlast eines neuen Speleoseils liegt bei minimal 2000 kg bis über 3000 kg, je nach Hersteller und Durchmesser. Durch Alterung, Nässe, Kälte und enge Biegeradien (beispielsweise in Knoten) kann die Bruchlast des Seils im Einsatz auf 35..50 % dieser Werte sinken - ergibt für ein Befahrerlebendgewicht mit Rucksack von 150 kg einen Sicherheitsfaktor von über 5. Diese Rechnung gilt nicht mehr bei Stürzen ins Seil, bei unsachgemäßem Einbau und natürlich bei überalterten oder anderweitig geschundenen Seilen, deswegen sind die unten gegebenen Hinweise zur Seiltechnik und zum Seileinbau auch so wichtig.

Die in der Höhlenforschung und auch bei der Altbergbaubefahrung angewandten Seile sind statische Seile (Speleoseile), sie haben eine geringe Seildehnung von 0,5 % bis maximal 2 % bei 100 kg Last. Das heißt, daß ein Seilende, welches beim Abseilen gerade bis zur Sohle eines 100 m tiefen Schachtes reichte, sich nach dem Entlasten schon außer Griffweite befinden kann! Die Seildehnung ist auch für den JoJo-Effekt verantwortlich, der den Befahrer beim Aufstieg sehr belustigt. Um Verwechslungen vorzubeugen, die für den Befahrer unangenehm werden können, für den Kletterer jedoch lebensgefährlich sind, sind Speleoseile einfarbig weiß (oder schwarz), mit wenigen Fäden der Kontrastfarbe. Kletterseile sind dagegen meist schreiend bunt.

Das Seil ist als Kernmantelseil mit tragendem Kern und schützendem Mantel aufgebaut. Der Kern setzt sich wiederum aus 2, 3 oder mehr tragenden Fäden zusammen, deren jeder im Extremfall noch das Befahrergewicht halten könnte. Als Materialien sind unterschiedliche Kunstfasern im Einsatz, Hanf ist an anderer Stelle besser aufgehoben.

Umgeben wird der Kern von einem schützenden Mantel, dem natürlich auch eine gewisse Tragfähigkeit zukommt. Der Mantel ist bei Speleoseilen besonders dicht gewebt, um dem Eindringen von Schlamm (wenn der dann trocknet, hat man feinsten Schleifstaub im Kern) zu verhindern. Er ist besonders widerstandsfähig und von großer mechanischer Festigkeit, um an Scheuerstellen (lassen sich nur theoretisch vollständig vermeiden) lange zu widerstehen, sich durch die Reibung an den Abseilgeräten nicht selbst zu zerstören und um den Belastungen durch die Zähne der Steigklemmen standzuhalten. Aus diesem Grund ist er auch möglichst fest mit dem Kern verbunden, während sich beim Kletterseil Mantel und Kern gegeneinander leichter verschieben lassen. Nicht zuletzt schützt der Mantel den Kern vor zu engen Biegeradien, die die Reißfestigkeit des Statikseils verringern würden. Durch diese Eigenschaften des Mantels wird das Speleoseil bei gleicher Tragfähigkeit wesentlich steifer als ein Kletterseil (dynamisches Seil).

Der Aufwand für die Seilpflege hält sich in Grenzen, aufgrund der Wichtigkeit sollte sie daher auch gründlich durchgeführt werden. In der Hauptsache beschränkt sie sich auf‘s Waschen mit kaltem Wasser zum Entfernen von äußerem Schlamm und Dreck (einen leichten Braunschleier wird das Seil trotzt intensivster Wäsche behalten). Die Wäsche erfolgt am einfachsten im nächsten Bach oder einem größeren Wasserkübel. Dabei sollte man jeden Meter Seil durch die Hände laufen lassen und öfters durchwalken. Profis basteln sich eine schlaue Waschvorrichtung aus zwei Bürsten ([1]), zwischen denen sie das Seil durchlaufen lassen. Noch professionellere Profis waschen ihr Seil im Schongang der Waschmaschine mit kaltem Wasser. Wer das heimlich zu Hause ausprobieren will, der sei gewarnt - Mutti merkt das! Da hilft dann nur, die nächste Befahrung vorzuziehen. Nach der Wäsche sieht man nochmals jeden Meter Seil auf äußere Beschädigungen durch. Beschädigungen des Kerns bemerkt man nicht. Ganz extreme Treffer äußern sich dadurch, daß das Seil an dieser Stelle knickt, statt sich im einheitlichen Radius zu biegen. Wenn der Verdacht auf so eine Beschädigung besteht, muß man Meter für Meter in Schlaufen legen. In größeren Abständen sollte man das auch ohne konkreten Verdacht tun. Nach Wäsche und Kontrolle kann man das Seil gleich für morgen wieder in den Rucksack packen (Befahrers Traum), sonst läßt man es im Schatten langsam trocknen.

Abbildung 131: Aufbau eines Normsturzversuchs ähnlich UIAA

Stark verändert nach [5], Ausg. 9

Sturzfaktor = Fallhöhe dividiert durch ausgegebenes Seil = 2

Bei festgestellten Beschädigungen sollte das Seil je nach Art des Schadens aussortiert (beispielsweise bei starkem Mantelverschleiß) oder nur die betreffende Stelle herausgeschnitten werden (wenn es sich um eine punktuelle Beschädigung handelt). Man hat dann zwei Seile statt einem und also 100 % Profit. Eine Altersgrenze für Seile ist schwer anzugeben. Wer einen Hersteller fragt, wird mit Sicherheit ein neues Seil kaufen müssen. Wenn das Seil zum Sprödbruch neigt, wird es auch der Hartgesottenste und Ärmste wohl besser zur Seite legen.

Sicherheitsbeauftragte mal weghören: mit einem Probestück, einem Festpunkt und einem PS-starken Fahrzeug (Zuglast im Fahrzeugschein) kann man auf einem freien Parkplatz mal einen Zugversuch improvisieren. 600, 700 kg Zuglast sollte man hinbekommen - was reißt, fliegt raus. Mit einem 80 kg-Sandsack und einer soliden Aufhängung kann man auch einen Normsturz wie in Abbildung 131 als Test durchführen, die aufgebrachte dynamische Last liegt weit jenseits der im normalen Befahrungsbetrieb zu erwartenden statischen Belastung. Die zum Testen verwendeten Seilstücke und Karabiner sind danach für Befahrungen nicht mehr zu gebrauchen!

Ansonsten muß jeder ein Gespür für sein Seil entwickeln. Faktoren, welche die Lebensdauer negativ beeinflussen, sind unter anderem UV-Strahlung, innerer Abrieb (Lehmpartikel im Kern, siehe oben), häufige Benutzung, chemische Einflüsse (Ausgelaufenes Öl oder Benzin im Kofferraum, Lagerung neben einer Autobatterie, dann besser gleich wegwerfen; chemisch aggressive Grubenwässer). Auch ein harter Sturz ins Speleoseil, der aus irgendwelchen Gründen doch überlebt wurde, sollte Anlaß sein das Seil auszusortieren oder das betroffene Stück rauszuschneiden.

Es gibt zahlreiche Methoden, ein Seil kunstvoll aufzuschießen, das heißt zu einem Bündel zu packen. Alle haben den Vorteil, daß man dann beim Seileinbau unter Tage einen Fitz im Seil hat. Daher wird das Seil am besten der Länge nach in den Rucksack (besser: spezieller Seilsack, kleiner Extra-Schleifsack) hineingefüllt. Beim Seileinbau läuft es dann aus dem Sack, den man unter sich am Gurt befestigt, nach Bedarf wieder hinaus (Abbildung 132). Man hüte sich, in unbekannten Schächten das Seil mit kühnem Schwung in einem Stück hineinzuwerfen. Erstens verfitzt es, und man muß den Knoten unterwegs ausbasteln, zweitens kann es sich unten in Abgründe verkrümeln und dort verhaken, wo man selber nicht nachsteigen und es herausholen kann und drittens ist es, auf der Schachtsohle aufliegend, den

Abbildung 132: Entspanntes Abseilen

Das Seil läuft aus dem unter dem Befahrer hängenden Schleifsack heraus

harten Treffern der Brocken ausgesetzt, die beim Bereißen nach unten brechen. Ganz prekär wird es, wenn sich ein losgelöstes nasses, schweres Ausbauholz eine Seilschlaufe hängt und nun gemeinsam mit dem Befahrer an der Seilaufhängung zieht.

In jedes Seilende gehört bereits beim Einpacken in den Rucksack ein Endknoten! Ganz gleich, was Risse oder Kumpel, die den Schacht schon kennen, von dessen Länge erzählen. Es reicht, wenn man sich im Seil vergriffen hat - dann ist bei fehlendem Endknoten nach kühnem Sprung Schluß. Einen soliden Achterknoten im Doppelseil läßt man sich in Fleisch und Blut übergehen.

Bei Seilen wie auch bei Schlingen werden nach dem Abschneiden die Enden verschmolzen, um ein Aufdrieseln zu verhindern. Das geht mit jedem Feuerzeug oder der Karbidlampe auch unter Tage.

14.5.2 Schlingen

Schlingen dienen beim Ausbau von Schächten vor allem der Seilführung und -schonung. Dazu verwendet man statische Schlingen mit entsprechender Bruchlast. Handlich, wenig sperrig und klein im Packmaß sind Bandschlingen, die Reißfestigkeit der Schlingen ist erkennbar an der Anzahl eingewebter Kennfäden - je Faden 500 kg, 3 Fäden sind Standard, darunter anfangen lohnt nicht.

Knoten gehen aus Bandschlingen nur schwer wieder heraus, den Nachteil haben herkömmliche Schlingen aus rundem Material (Reepschnüre) nicht. Da die Bruchlast mindestens der des Seils entsprechen sollte, und man die Schlingen natürlich vorzugsweise an kritischen Punkten wie an Kanten, rostigen Oberflächen und so weiter einsetzt, sollte man für solche Zwecke den Durchmesser von Reepschnüren höchstens eine Nummer kleiner als den des Seils wählen (ein Doppelstrang mit 1 mm geringerem Durchmesser als der des Seils hat grob überschlagen die gleiche Bruchlast). Handelt es sich nur um Seilumlenkungen mit geringem Winkel, braucht man den Aufwand nicht so hoch zu treiben. Bei Bandschlingen ist das Verhältnis des Biegeradius zum Durchmesser der Schlinge günstiger als bei rundem Schlingenmaterial, bei Kanten mit geringem Radius wird ihre Bruchlast demzufolge nicht so strak vermindert.

Daneben haben Schlingen vielfältigste Einsatzgebiete zum Ausrüstungstransport, zum Basteln von Behelfssteigklemmen, als Universalwerk- und Flickzeug und so weiter. Überhaupt hat man immer einige Meter 5er oder 6er Schlinge dabei.

14.5.3 Karabiner

Karabiner dienen dem schnellen Verbinden und Lösen von Seilen. Theoretisch könnte man alle Karabiner durch Schlingen ersetzen. Prinzipiell lassen sich die Karabiner in die einfachen Schnapp- und die gegen versehentliches Öffnen gesicherten Schraubkarabiner 

Abbildung 133: Verschiedene Karabiner

Links) Speleokarabiner, auch Oval- oder symmetrischer Karabiner; Mitte) Kletterkarabiner, asymmetrischer Karabiner; Rechts) spezieller HMS-Karabiner, mit großer Öffnungsweite auch zum Einhängen in Sicherungspunkte mit großen Durchmessern

 (beziehungsweise Bajonett-, Twistlock­karabiner und so weiter) unterteilen. Schnappkarabiner verwendet man nur für Material und untergeordnete Zwecke. Für Seilaufhängungen, für die Sicherungsschlingen und dergleichen verwendet man Schraub­karabiner - zu leicht öffnet man sonst ungewollt mit einem anderen Ausrüstungsteil die Klinke. Schraubkarabiner müssen auch zugeschraubt werden, sonst halten sie nicht! Ein beliebter Spaß ist es, einen Karabiner unter Last bis Anschlag zuzuschrauben - dann geht er entlastet nicht mehr auf, erst unter neuerlicher Belastung kann man ihn lösen. Daher dreht man die Sicherungsschraube zwar zunächst bis Anschlag, dann aber wieder eine halbe Umdrehung zurück.

Eingedenk von Schlamm und Sudel legt man Wert auf einen straffen Schließmuskel, nämlich die Feder des Karabiners. Unschlagbar in dieser Beziehung sind die - leider zur Zeit nicht erhältlichen - russischen Titankarabiner. Ein filigraner Kletterkarabiner gibt dagegen bald seinen Geist auf. Das gleiche gilt für diverse neuerfundene Verschlußmechanismen, die alle recht dreckanfällig und damit für den Bergbau ungeeignet sind.

Die Karabinerform ist zunächst zweitrangig. Wichtig ist einmal ein möglichst großes Öffnungsmaß der Klinke. Für ein gutes Handling ist ein großer Materialdurchmesser wichtig (≥ 10 mm) und eine große, sehr griffige Verschlußschraube. Abbildung 133 zeigt verschiedene Karabiner. Die symmetrische Form („Speleokarabiner“) ist der asymmetrischen  vorzuziehen, aber auch teurer. Für den Bau von Flaschenzügen oder eine HMS-Sicherung sollte man wenigstens zwei bis drei Karabiner der symmetrischen Form dabeihaben. Geht man von vornherein auf Klettertouren aus, empfiehlt sich auch ein spezieller HMS-Karabiner.{mospagebreak}

14.5.4 Knoten

Von der christlichen Seefahrt bis zum Schnürleibchen gibt es viele hundert gute Knoten, für jeden Fall einen optimalen. Kein Mensch kann die sich alle merken, aus der Hand beherrschen und mit einem kurzen Blick feststellen, ob der jeweilige Knoten des Vordermanns richtig liegt oder nicht. Daher beschränkt man sich am Anfang zweckmäßig auf den universalen Achterknoten, mit dem man jede Situation bewältigt. Später kann man sich dann noch für Sonderfälle elegantere Lösungen zurechtlegen, aber viele werden es nicht sein. Zum Achter kommt noch der Bandschlingenknoten, der Prussikknoten aus dem Kapitel Seilklemmen und der Halbmastwurf-Sicherungsknoten HMS aus dem Kapitel Klettertechnik. Diese drei aus dem Handgelenk und im Dunkeln beherrscht, kann in Sachen Knoten nichts mehr schiefgehen.

Der Achterknoten entspricht dem normalen Schnürsenkelknoten (Fachjargon: Sackstich) mit einer zusätzlichen Windung. Diese verhindert, daß sich der Knoten gar zu sehr festzieht und zum gordischen Knoten wird. Zusätzlich soll er noch Festigkeitsvorteile gegenüber dem Sackstich haben, die Reißfestigkeit des Seils wird nicht so stark reduziert. Die Bauanleitung für das Einfachseil liefert Bild Abbildung 134. Eine Schlaufe, zum Beispiel zum Einhängen eines Karabiners, erhält man am einfachsten, wenn man statt in’s Einfachseil den Knoten vor

Abbildung 134: Achter Knoten

 

Oben) Achter im Einfachseil, ganz rechts Achter im Doppelseil (Schlaufe); Unten) Gesteckter Achter, ausgehend vom einfachen Achter

die Schlaufe des Doppelseils setzt. Bedingung für sicheren Halt des Knotens ist, daß der Überstand der Seilenden mindestens dem 12- bis 15fachen Seildurchmesser entspricht, sonst

kann das Ende beim Setzen des Knotens infolge der ersten Belastung schon durch die erste Windung hindurchrutschen. Der Achter im Doppelseil ist auch ein ausreichender Endknoten.

Die Notwendigkeit, die Schlaufe auch mal um einen Baum zu bringen, führt zur Bekanntschaft mit dem gesteckten Achter, der dem Knotenden bereits anerkennende Blicke des Nonknotologen einbringt. Abbildung 134 zeigt, wie’s gemacht wird. Nach diesem Prinzip kann man jeden beliebigen Knoten auch in einer gesteckten Form fabrizieren - einfach immer parallel das Seil von hinten wieder durchführen.

Abbildung 135: Zusätzlicher Sicherungsknoten

Den in Bild Abbildung 135 gezeigten zusätzlichen Sicherungsknoten (einfacher Sackstich ums Seil) muß man bei genügend Seilüberstand und normaler Verwendung des Achterknotens nicht setzen. Er wird verwendet als zusätzliche Sicherung bei sehr steifen oder verlehmten Seilen (rutschen eher durch), bei Seilüberstand an der Grenze des Erlaubten,

Abbildung 136: Zulässige und unzulässige Verwendung des Achterknotens

Links) Zulässige Verwendung zur Seilführung; Rechts) unzulässige Verwendung (Gefahr des Durchrutschens)

bei der Verwendung des Achterknotens zur Seilverbindung und überhaupt wenn man das Gefühl hat, daß ein Knoten mehr auch nicht schaden könnte.

Generell wird ein Knoten immer in der Richtung belastet für die er gedacht ist, sonst können sich merkwürdige Dinge ereignen. Der Achterknoten ist jedoch auch in dieser Beziehung gutmütig und verträgt auch eine Belastung wie in Abbildung 136 links, wodurch er sich hervorragend für Quergänge oder zur Seilführung eignet. Voraussetzung ist, daß bei einer eventuellen Lockerung und Durchrutschens des Knotens kein ernsthaftes Problem auftritt. Dagegen wird er zum Schließen von Schlingen oder zur Seilverbindung keinesfalls in dieser Form eingesetzt!

Abbildung 137: Zulässige und unzulässige Verwendung des Bandschlingenknotens

Links) Zulässige Belastungsrichtung; Rechts) unzulässige Belastungsrichtung

Für Bandschlingen ist der Achter nicht praktikabel, hier setzt man einen Bandschlingenknoten (gesteckten Sackstich) nach Abbildung 138 und hat das Problem, daß man ihn nicht wieder aufbekommt. Hier hat der Knoten auf jeden Fall in Belastungsrichtung zu sitzen (Abbildung 137 links), alles andere ist räudig und unsicher!

Abbildung 138: Legen eines Bandschlingenknotens

 

Nach dem Achter und dem Bandschlingeknoten noch zwei Zugaben für die, denen diese zwei Knoten sicher von der Hand gehen. Man kann den gesteckten Achterknoten wie in Abbildung 168 (oder Abbildung 167) gezeigt zur Seilverlängerung einsetzen, solange es sich um Seile mit gleichem Durchmesser und sonst gleichen Eigenschaften handelt. Zu Seilverlängerungen besser geeignet ist jedoch der Spierenstich, bei welchem die Seilumlenkungen günstiger sind und der vor allem auch Seile mit ungleichen Eigenschaften (gering differierende Durchmesser, harte und weiche Seile) sicher verbindet, was ja bei Seilverlängerungen

Abbildung 139: Legen eines doppelten Spierenstichs

Der doppelte Spierenstich wird gewählt, um überhaut eine Chance zu haben, denselben wieder zu öffnen. Beim einfachen Spierenstich wird das Seils nur einmal umschlungen.

entscheidend ist. Einmal belastet, zieht er sich gnadenlos fest, ein Durchrutschen kommt noch weniger vor als beim Achter (das rächt sich dann beim Aufknoten). Die Bauanleitung liefert Abbildung 139.

Einen sehr schönen Knoten zur Seilauf­hängung und -justage an zwei Punkten noch als Schmeckerchen: Die Mickey Mouse (Hasen­ohren-knoten), eine Variante des Achterknotens in Abbildung 140.

Abbildung 140: Legen eines Hasenohrenknotens (Mickey Mouse)

 

Links bis Mitte) Legen des Knotens; Rechts) Einsatz zur Seilaufhängung

Ein kluger Berg­steigerspruch zum Abschluß des Themas: „Jeder gute Knoten ist schön, aber nicht jeder schöne Knoten ist gut!“. Die Moral: man lege saubere Knoten mit paral­leler Seilführung und so zurecht­gedrückt, das auf den ersten Blick erkennbar ist, welcher Knoten das sein soll. Das kostet zunächst Mühe, aber der Hintermann und man selber kann sie leicht kontrollieren, und sie lösen sich nach der Belastung oft leichter. Die zweite Moral: Man setzt unter Tage nur Knoten ein, die man wirklich beherrscht und die sicher halten, auch wenn andere schöner aussehen - einen Weberknoten oder ein Sackstich mit Schleife kann jeder für seinen Befahrungskrempel verwenden, als Seilaufhängung bereichern sie höchstens die Unfallstatistik.

14.5.5 Seilklemmen

Abbildung 141: Verschiedene Funktionsprinzipien von Seilklemmen

Links) Normale Steigklemme; Mitte) Shunt; Rechts) Descender

Alle Seilklemmen lassen das Seil in einer Richtung passieren und blockieren den Durchgang in die andere Richtung. Diese Funktion kann auf unterschiedliche Art erreicht werden, wie in Abbildung 141 dargestellt wird.

Abbildung 142: Verschieben einer Steigklemme entgegen der Klemmrichtung

Nach [1]

Die linke Abbildung zeigt die üblicherweise verwendeten und für die hier beschriebene Technik zu benutzenden Steigklemmen. Sie sind einfach in der Handhabung, in der Version für die Handsteigklemme haben sie einen bequemen Griff. Nachteilig ist, daß sie bei nachlassender Federwirkung oder stark verlehmten/ vereisten Seilen bisweilen nicht greifen, sondern sich auch nach unten verschieben lassen. Um dies zu minimieren, sind sie einmal mit kleinen Zähnchen versehen (die wiederum irgendwann über’s Seil gehen) und zum anderen mit raffiniert ausgeklügelten Schlitzen zum Abführen des Schlamms ausgerüstet, die nichts bewirken. Haben sie jedoch einmal gegriffen, ist ein Durchrutschen nicht mehr zu fürchten.

Die Steigklemmen haben zur Bedienung des Klemmenhebels einen hervorragenden Stift oder einen Extragriff. Um das Seil einzulegen oder wieder aus der Steigklemme herauszubekommen, muß man den Stift erst nach unten und dann nach hinten schwenken - dadurch wird ein Sicherheitsmechanismus gelöst, der das Herausspringen des Seils aus der Steigklemme im Normalbetrieb weitgehend verhindert.

Will man das Seil ein Stück gegen die Blockaderichtung durch die Seilklemme laufen lassen, bedient man nicht diesen Sicherungshebel, sondern drückt mit einem Finger von oben die Klemme zurück (Abbildung 142), um ein unbeabsichtigtes Aushängen des Seiles zu vermeiden. Das funktioniert nur im entlasteten Zustand und ist zum Beispiel wichtig, wenn man mit den Steigklemmen ein Stück am Seil nach unten will. Man macht sich mit der Bedienung der Steigklemme natürlich wie bei allen neuen Geräten erstmal im Trockentrainig bekannt. Es ist gefährlich, in den Sicherungshebel zur besseren Bedienbarkeit einen Karabiner einzuhängen - in diesen kann sich leicht ein anderer Ausrüstungsteil einhängen und die Steigklemme ungewollt lösen.

Empfehlenswert sind Bruststeigklemmen, bei der die Einbindeösen oben und unten so gebogen sind, daß sie auch bei durchgeführtem Karabiner flach am Körper anliegen können. Handsteigklemmen gibt es in Versionen mit Links- und Rechtsgriff, was schon ganz schöner Luxus ist – jede Ausführung läßt sich auch für die jeweils andere Hand verwenden.

Abbildung 143: Ein- und Aushängen des Shunt ohne Verlustrisiko

1) Umhängen des Sicherungskarabiners in die dünne Reepschnur; 2) Lösen des Shunt vom Seil

Abbildung 144: Anwenden des Prussikknotens

1) Der Prussikknoten läßt sich ohne Last am Seil verschieben; 2) Unter Last blockiert er am Seil

Abbildung 141 Mitte zeigt das Prinzip, das auch beim Shunt verwendet wird. Unter extremer Last (Sturz) kann das Seil durchrutschen, zur Sturzsicherung ist dieser Mechanismus daher sehr brauchbar. Dazu sind die anderen Klemmen nicht geeignet - das abrupte Eingreifen und Blockieren der Klemmen am Seil führt zu harten Fangstößen, die für Mann und Seil unangenehm bis gefährlich sind. Der Shunt ist für Einfach- und Doppelseil geeignet und nötigenfalls als Handsteigklemme oder Rücklaufsperre für einen Flaschenzug, aber nur ganz begrenzt als Bruststeigklemme einsetzbar. Zum Einlegen und Herausnehmen des Seils (Abbildung 143) muß der Karabiner aus dem Klemmhebel herausgenommen werden, wodurch der Shunt nicht mehr angebunden ist und beim Herausrutschen aus der Hand schnell in den Schachtgrund entschwindet. Eine kleine Schlinge (2..3 mm Reepschnur) in der dafür vorgesehenen Öse des Klemmenhebels verhindert das.

Abbildung 141 Rechts zeigt ein in den USA verbreitetes Steigklemmenprinzip, inzwischen auch bei Petzl im Vertrieb. Die Klemmen greifen sicher auch am stark verdreckten Seil und haben keine Zähne, höchstens Riefen zum besseren Anziehen und zur Abführung von Dreck und Wasser, wodurch sie natürlich seilschonend sind. Nachteilig an den käuflichen Modellen (Ausnahmen sind uns noch nicht bekannt) ist der Aufbau aus Einzelteilen, die beim Einlegen und Herausnehmen des Seils aus der Klemme auseinandergenommen und wieder montiert werden müssen, wozu man beide Hände frei haben muß. Als Bruststeigklemme lassen sich diese Klemmen ebenfalls schlecht verwenden.

Abbildung 145: Legen eines Prussikknotens

Dann gibt es noch ganz harte Befahrer (oder einfach Masochisten), die gern mit Knoten aufsteigen. Diese Knoten sind fehleranfällig (Durchreiben der Schlingen, schlechtes Greifen am verdreckten Seil) und es gab dewegen schon tödlichen Unfälle. Für den Fall, daß mal der Berggeist eine Steigklemme gemaust hat, sollte aber auch Otto Normalbefahrer mit einem Stück Schlinge am Seil

Abbildung 146: Klemmknoten unter Verwendung eines Karabiners als Griff

hochkommen. Beliebt und einfach ist der Prussikknoten (Abbildung 145, Abbildung 144), eine elegantere Variante mit Handgriff zum Verschieben zeigt Abbildung 146.{mospagebreak}

14.5.6 Gurte

Nächst dem Seil sind die Gurte die wichtigsten Utensilien bei der ganzen Seiltechnik. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Sitzgurt. An ihm werden Abseil- und Aufstiegsgeräte sowie die Sicherungs­schlingen befestigt. Der straffe Sitz der Bruststeigklemme wird durch einen zusätzlichen Brustgurt oder auch nur eine verstellbare Bandschlinge erreicht (Abbildung 147).

Ein guter Sitzgurt sitzt überall straff, ohne zu drücken. Auch bei längerem Sitzen wird die Blutzirkulation nicht beeinträchtigt (eingeschlafene Beine). Er ist über ausreichende Einstellschnallen an die Körperform des Befahrers und dessen Bekleidungszustand anpaßbar. Er läßt sich unproblematisch anlegen, hat genügend und stabile Ösen zum Einhängen von Material und Kleinkram (Karabinern, Abseilern, Schleifsäcken...) und ist überhaupt die Quadratur des Kreises. Generell ist ein vollwertiger Hüftgurt empfehlenswert, aus dem man auch bewußtlos kopfüber hängend nicht herausfällt - zum Muß wird ein solcher, wenn man auf einen regulären Brustgurt verzichtet und statt dessen ein Stück Schlinge verwendet.

Abbildung 147: Gurte für die Einseiltechnik

Links) Kombination aus Sitz- und Brustgurt; Mitte)  Kombination aus Sitzgurt und verstellbarer Bandschlinge; Rechts) verstellbare Bandschlinge

Der Gurt muß gewährleisten, daß die Bruststeigklemme gut vor dem Körper sitzt - das heißt in senkrechter Position für guten Seildurchlauf, flach am Körper anliegend für gute Bedienbarkeit und in der Höhe straff fixiert, weil man durch eine lockere Steigklemme bei jedem Schritt zwischen 10 und 20 cm der aufgestiegenen Höhe beim anschließenden Hineinsetzen wieder einbüßt. Um viel Platz für das Verschieben der oberhalb der Bruststeigklemme befindlichen Handsteigklemme zu haben, soll die Bruststeigklemme und damit auch die entsprechenden Aufhängelaschen des Sitzgurtes möglichst tief sitzen - günstig knapp oberhalb des Bauchnabels.

Diese tiefe und starre Lage des Aufhängepunktes haben Klettergurte nicht, sie sind dehalb ungeeigneter als ein spezieller Speleogurt. Jedoch sind ein Klettergurt und eine verstellbare

Abbildung 148: Formen für Zentral-Schraubglieder

Links) Günstige D-Form; Rechts) ungünstigere Delta-Form

Bandschlinge, wenn sowieso vorhanden, erst einmal besser als gar nichts. Will man sich aber ernsthaft mit der Seiltechnik einlassen und sich nicht nur gelegentlich beim Fahrtensteigen oder einer Schachtpassage sichern, wird man um einen Speleogurt nicht herumkommen.

Nach Erfahrung der Autoren sollte man neben diesen Allgemeingültigkeiten auf folgende Punkte achten: Auf spezielle Polsterungen kann man getrost verzichten, da man sowieso genügend dicke Schichten Kleidung tragen wird. Ebenso ist ein spezieller Scheuerschutz nicht empfehlenswert - er macht den Gurt sperriger in Handling und Packmaß. Der Gurt wird besser als durch den Scheuerschutz geschont, wenn man ihn nur zu den Abseilaktionen anzieht und auf der anschließenden Befahrung ablegt. Das wird erfahrungsgemäß nur dann gemacht, wenn man den Gurt ohne Platzprobleme verstauen und einfach an- und ablegen kann. Zum Einhängen des Zentralgliedes sind, egal ob Zwei- oder Vierpunktaufhängung, Metallringe ungefähr 150 mal so günstig wie Bandschlaufen, gemessen an der Zeit, die man zum Anlegen des Gurtes braucht.

Zum lagerichtigen Fixieren der Bruststeigklemme und zur Befestigung der weiteren Seilgerätschaften dient ein Zentralkarabiner mit übergreifender Langmutter als Verschluß, der gleichzeitig Schließe für den Sitzgurt ist. Günstig ist die halbovale D-Form wie in Abbildung 148 links. Die dreiecksförmigen Deltaglieder wie in Abbildung 148 rechts erfüllen die selben Sicherheitsanforderungen, nur sammelt sich das Material gern in der Ecke an, beim halbrunden D-Glied verteilt es sich besser und es läßt sich einfacher hantieren. Da dieser Zentralkarabiner in alle Richtungen belastet wird, kann ein einfacher Karabiner mit Klinke (auch ein Schraubkarabiner) nicht eingesetzt werden - dieser hat über die Klinke nur eine geringe Belastbarkeit. Die Einbindung der Bruststeigklemme in den Brustgurt erfolgt ebenfalls günstig über ein kleineres D- oder Deltaglied.

Brustgurte sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Wichtig ist, daß der Brustgurt leicht und in weiten Grenzen verstellt werden kann, damit man ihn auch während des Aufsteigens nachstellen kann, wenn sich der Sitzgurt nach den ersten Belastungen zurechtgerückt hat und die Bruststeigklemme plötzlich wackelt.

Da das meist nur unvollkommen gelingt und ein straffer Brustgurt wiederum anderen Bewegungen hinderlich ist, ersetzt man ihn oft durch ein einfaches Stück Schlinge (Abbildung 147 Mitte und rechts). Dieses kann beim Aufsteig leicht nachgespannt werden und sorgt so für schlupffreies Aufsteigen, für die andere Zeit kann man es bequem lockern. Nachteilig ist bei dieser Variante, daß man im bewußtlosen Zustand leichter mit dem Kopf nach unten zu hängen kommt als bei Verwendung eines herkömmlichen Brustgurts. Da aber auch bei normaler Lage 10 bis 15 min unbeweglichen Hängens im Seil zu Bewußtlosigkeit und schließlich ernsten Kreislaufstörungen durch die fehlende Blutzirkulation führen, ist in einem solchen Falle ohnehin schnelle Hilfe erforderlich!

Abbildung 149: Herstellen und Befestigung der Longe, Maße

Zum Gurt dazu gehört die sogenannte Longe, auch als Selbstsicherung oder Sicherungs­schlinge bezeichnet. Dies sind zwei unterschiedlich lange dynamische Seilstücken, die bei der Seiltechnik zum Zwischensichern erforderlich sind und ebenso wie die Bruststeigklemme fest in den Zentralkarabiner eingebunden sind. Es gibt Nobelausführungen fertig zu kaufen, man kann aber auch ein entsprechendes Stück Schlinge selber knoten, siehe Abbildung 149. Das kurze Ende der Longe ist einschließlich des eingehängten Karabiners etwa 30...35 cm lang, die Länge des langen Endes ist abhängig von der Körpergröße und dem Sitzgurt - man muß über die Spitze des eingehängten Karabiners noch etwa 10 cm hinausgreifen können. Da die Longe auch einmal einen Fangstoß vertragen sollte, ist eine dynamische Schlinge nicht unter 8 mm, besser ein Stück Kletterseil zu wählen.

14.5.7 Abseilgeräte

Beim Abseilen wird die potentielle Energie des Befahrers durch Reibung in Wärme umgewandelt. Dazu wird das Seil mehrfach an Radien umgelenkt, die möglichst groß sein sollen, um das Seil zu schonen. Gängigstes verwendetes Abseilgerät ist der Petzl-Abseiler beziehungsweise baugleiche Geräte als Simple Abbildung 150 oder Stop (Abbildung 153).

Nach zwei, drei Befahrungen ist die zuerst etwas abenteuerlich anmutende Seilführung zwischen den Rollen geläufig geworden, und man kann das Abseilen gut dosieren. Das Seil krangelt nicht, der Abseiler ist unverlierbar, und es dauert eine ganze Weile, bis die Rollen soweit abgeschliffen sind, daß sie gewendet beziehungsweise gewechselt werden müssen.

Das bekannteste Abseilgerät ist die Abseilacht, ebenfalls in Abbildung 150. Beim Klettern wegen einfacher Handhabung beliebt, ist sie für die Befahrung im Altbergbau ungeeignet: zum Ein- und Ausbau ins Seil muß sie aus dem Gurt gelöst werden und kann dabei leicht nach unten verschwinden. Noch schlimmer sind die beim Abseilen im Seil entstehenden Krangel - wenn das Seil unten fixiert ist (Umsteigstelle!) kann das zu großen Schwierigkeiten führen. Die Umlenkradien an der Acht sind sehr klein, was nicht zur Seilschonung beiträgt. Wer trotzdem, weil er vom Klettern eine übrig hat, mit der Acht im Altbergbau abseilt, sollte immer mal nach dem Abrieb schauen - bei weichen Legierungen kann schon nach 100 m Abseilstrecke die Acht vom Seil und Schlamm halb durchgeschliffen sein.

1)

2)

3)

4)

Abbildung 150: Verschiedene Abseiler

 

1) und 2) Petzl-Abseiler Simple: Einlegen des Seils in den Abseiler und Lage des Seils beim Abseilen; 3) Abseilen mit der Acht; 4) Abseilen mit dem Rack

Anderswo verbreiteter ist der Rack, das dritte Gerät in Abbildung 150. Er hat den Vorteil, daß man bei langen Abseilstrecken (größer 70 m, kommt in Sachsen kaum vor) ohne Zwischenbefestigung das im oberen Teil zusätzlich bremsende Seilgewicht durch Verringerung der Steganzahl kompensieren kann - je weiter man nach unten kommt, desto mehr Stege muß man einlegen, damit die Bremswirkung noch ausreicht. Vorteilhaft ist ebenfalls, daß er problemlos auch am Doppelseil eingesetzt werden kann (zum Beispiel beim Abseilen nach einer Erkundung nach oben, wenn das Seil wieder abgezogen werden soll). Ansonsten ist er unbequemer zu handhaben als der Petzl-Abseiler - persönlicher Eindruck des Autors. Ein Risiko beim Einsatz des Rack: Man kann die Stege verkehrt herum einbauen, dann werden sie beim Abseilen aufgedrückt und es geht ungebremst vom Seil nach unten - dazu gehört aber schon eine gehörige Portion Dösigkeit.

Abbildung 151: HMS-Knoten

Nach [1]

Links) und Mitte) Legen des HMS; Rechts) unzulässige Belastung der Klinke am Karabiner

Wenn aus irgendeinem Grund keine andere Möglichkeit besteht, kann man auch mit einem HMS (Halbmastwurf-Sicherungs­knoten) abseilen, gezeigt wird der Knoten in Abbildung 151. Diese Variante hat alle Nachteile des Abseilens mit der Acht, nur in noch stärkerem Ausmaß. So man hat, sollte man einen speziellen HMS-Karabiner mit weitem oberen Radius verwenden (Abbildung 133), bei einem schmalen Karabiner muß man das Seil bisweilen meterweise durch den Knoten „durchstecken“.

a)

b)

c)

d)

e)

f)

Abbildung 152: Blockierknoten für den Petzel Simple

 

a) Erstes Blockieren mit einer Hand; b), c) Einfaches Festlegen (zur Entlastung der Bremshand); c), d), e) f) Sicheres Festlegen mit Blockierknoten

Alle Abseilgeräte können einfach „festgelegt“ werden, wenn man im Schacht beim Hantieren die Hände frei haben will. Bevor man das Bremsseilende losläßt, muß es so gesichert werden, daß die Blockade des Abseilers nicht von alleine aufgehen kann, auch wenn das Bremsseil mal nach oben gezogen wird. Für den Petzl Simple ist ein möglicher Festlegeknoten oder Blockierknoten in Abbildung 152 gezeigt, auch bei den anderen Abseilern kann man ähnliche Belegknoten realisieren.

Das Blockieren des Abseiler mit einer Hand (Abbildung 152 a) ist Geschmackssache und wird beispielsweise vom Autor weggelassen. Will man im Schacht nur kurz anhalten, um sich zum Beispiel etwas näher anzusehen, und will dabei nicht ständig Zug auf der Bremshand haben, kann man bei der Stufe c) in Abbildung 152 stehenbleiben, die Bremshand muß aber am Seil bleiben! Sonst kann das Seil ungewollt herausspringen und man selber den Schacht hinunter. Beim Stop sind die Stufen Abbildung 152 a) bis c) überflüssig, man läßt einfach den Blockierhebel los und steht. Für längeres Hantieren empfiehlt sich der gleiche Blockierknoten wie für den Simple (Abbildung 152 d) bis f)).

Abbildung 153: Anwendung des Petzl Stop

Links) Beim Abseilen wird der Sicherungshebel mit der einen Hand eingedrückt, die andere Hand kontrolliert die Abseilgeschwindigkeit, der Sicherungshebel wird nicht zum Bremsen verwendet!; Rechts) beim Loslassen des Sicherungshebels blockiert der Abseiler am Seil, bei längeren Arbeiten emphiehlt sich dennoch ein Belegknoten wie beim Simple

Beim Abseilen mit schweren Lasten oder an schnellen (dünnen) Seilen kann man eine Verstärkung der Bremskraft mit zusätzlichen Seilumlenkungen, zum Beispiel einer weiteren Umschlingung des Führungs­karabiners, oder zur Not auch mit einem HMS im Führungs­karabiner erreichen. Schwere Lasten hängt man direkt in das Zentralglied ein, dann hat man keinen Zug auf den Gurt, sondern die Kraft wirkt direkt auf den Abseiler.{mospagebreak}

14.5.8 Die zweite Sicherung beim Abseilen

Die zweite Sicherung beim Abseilen ist im Altbergbau sehr wichtig. In den Schächten können neben Steinen die merkwürdigsten Dinge von oben nach unten fallen: Wassertropfen, Vertonnungsbretter, Fahrten und einzelne Sprossen, Bergeisen, junge Füchse, Karabiner, Pumpengestänge, leere und volle Bierflaschen, Steigklemmen und sonstige Ausrüstungs­gegenstände. Deswegen macht man es sich ohnehin zur festen Regel, nur ganz kurz nach oben zu lugen und ansonsten die Augen brav unterm Schutz des Helms nach vorn oder unten zu halten. Ganz schnell lernt man auch, beim Ruf „Achtung!“ oder besser „Steinschlag!“ nicht nach oben zu sehen, was da wohl kommt, sondern geht möglichst in Deckung und wartet gespannt, ob es einen diesmal erwischt. Die Moral von der Geschicht: ein Treffer schon eines kleinen Steins aus einiger Höhe auf die Schulter oder die Bremshand führt zu Reflexreaktionen und häufig zum Loslassen des Seils. In diesem Falle muß die Sicherung greifen, oder es geht ungebremst nach unten.

Es gibt verschiedene Varianten, die Sicherung ins Abseilgerät zu integrieren. Bekannt und umstritten ist der Petzl-Stop, siehe oben. Läßt man den Blockierhebel los, verklemmen sich die Rollen des Abseilers und das Seil kann nicht weiter durchrutschen. Zum Hantieren und Umsteigen ist diese Variante, das Seil festzulegen, unschlagbar in Sachen Zeitersparnis. Zwei Probleme stehen der Nutzung als zweite Abseilsicherung entgegen: Zum einen kann bei sehr abgenutzten Rollen oder einem alten Seil der Abseiler durchrutschen, zumeist genügt aber auch in diesem Fall die verbleibende Bremswirkung zur Vermeidung des Absturzes. Viel schlimmer ist der Reflex des Menschen, sich im Fall eines Sturzes oder auch eines Steinschlags krampfhaft festzuhalten - man drückt dann den Sicherungshebel ein und genehmigt sich so einen ungehemmten Absturz. Weiterentwicklungen versuchen, diesen Mangel zu beheben, indem sie nur in einer Mittelstellung das Abseilen erlauben. Sie haben sich aber bisher nicht durchsetzen können. Der Sicherungshebel darf keinesfalls zur Regulierung der Seilgeschwindigkeit beim Abseilen verwendet werden - das macht ganz normal die Bremshand. Sonst ist der Sicherungsmechanismus und das Seil schnell verschlissen.

Abbildung 154: Führung des Shunt

Sicherer, wenn auch unbequemer im Hantieren, ist eine separate Abseilsicherung. Der Autor kommt persönlich bestens mit den Shunt zurecht (siehe Kapitel 14.5.5). Auch beim Shunt kann man im Fall eines Absturzes etwas falsch machen: krampft man sich am Gehäuse fest, zieht man dieses mit nach unten, auf den Klemmhebel wirkt keine Last und man marschiert trotz Shunt durch. Daher faßt man den Shunt so an, daß er einem ständig aus der Hand zu rutschen droht, nämlich auf Druck gegen die beiden Schrauben des Klemmhebels, wie in Abbildung 154 dargestellt. Die kleine Sicherungsschlinge für den Shunt darf zum Nachziehen nicht verwendet werden, zu groß ist auch hier die Versuchung, sich im Fall eines Sturzes an ihr festzukrampfen.

Leicht passiert es, das man sich ungewollt beim Abseilen in den Shunt „hineinsetzt“. Er klemmt dann fest und der Abseiler ist entlastet. Dann kann man einen einarmigen Klimmzug am Gehäuse üben, um ihn wieder loszuziehen. Glücklicherweise muß man ihn nicht vollständig entlasten, da er wie gesagt etwas durchrutschen kann. Vorher legt man den Abseiler fest. Weniger sportlich Veranlagte suchen sich einen Halt im Schacht und entlasten den Shunt, worauf er sich wieder willig nachführen läßt, oder treten zur Not in die schnell eingebaute Handsteigklemme. Zum Schluß muß gesagt werden, daß sich ein Fall konstruieren läßt, in dem der Shunt trotz Loslassens nicht am Seil greift. Das betrifft aber das Klettern am Fixseil unter einer überhängenden Wand und ist somit für die Altbergbaubefahrung eher zweitrangig.

Nicht so bequem in der Handhabung (speziell beim Lösen, wenn einmal festgegangen) wie der Shunt, aber ebenso universell einsetzbar und sogar in beide Richtungen wirkend (ein Plus am Quergang), ist der sogenannte Prussikknoten (Abbildung 145). Verwendet man diesen Klemmknoten zur Selbstsicherung, hat sich eine 6 mm starke Schlinge als Optimum herausgestellt: bei einem größeren Durchmesser funktioniert die Klemmwirkung nicht mehr zuverlässig (geht auch, aber man muß drei Umschlingungen nehmen). Ein kleinerer Durchmesser ist nicht mehr sicher genug, da sich die verwendete Schlinge leider schnell abnutzt und im Fall eines Sturzes, wenn der Knoten bis zum Greifen 20, 30 cm am Seil läuft, die freigesetzte Reibungswärme zusätzlich zum lokalen Anschmelzen der Knotenschlinge führen kann. Letztlich sollte man bei häufigerer Verwendung von Seiltechnik doch zu einer mechanischen Selbstsicherung greifen.

14.5.9 Befestigungstechnik

Nur selten stehen im Altbergbau sichere Seilaufhängungen unaufgefordert zur Verfügung, zum Beispiel Schienen, welche länger sind als der Schachtmund breit ist, oder festgegangene Bohrgestänge, oder solide Bohrpfeifen. Andernfalls muß sich der Befahrer selbst helfen.

Aufhängungen gleich welcher Art werden prinzipiell im standfesten, sicheren Gestein gesetzt. Platten und Blöcke mit Neigung zum Lösen von der Wand verraten sich durch dumpfe Töne beim Anschlagen. Ungeeignet ist auch die Gangzone, durch das inhomogene Material entstehen viel leichter Sprünge und Risse als im Nebengestein. Setzt man zwei Befestigungen, dann müssen diese natürlich auch einen gewissen Abstand haben und nicht im selbem Block oder der selben Kluft sitzen.

Standardbefestigung in der Höhlen- wie Altbergbauforschung sind die Spits. Korrekter Weise müßte man Selbstschlagbohrdübel oder so ähnlich sagen, denn Spit ist eigentlich der Name der französischen Herstellerfirma, die noch eine ganze Reihe anderer Befestigungstechnik produziert. Damit ist auch der Weg gezeigt, den Speleohandel zu umgehen - über gut sortierte Normteilehändler bezieht man sie in 100er Paketen günstiger. Eigentlich sind es Wegwerf-Kronbohrer.

Man schraubt den Spit auf den Spitsetzer auf (je nach Leidensfähigkeit der Hände den mit oder den ohne Handschutz), hält ihn an den Felsen und gibt ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Dann wird ein Stück weitergedreht (im Uhrzeigersinn, damit sich der Spit nicht lockerdrehen kann, dann würde das Gewinde beschädigt). Nächster Schlag - wieder leichte Drehung. So kommt man mit etwas Geduld zu einem schönen runden Loch. Zwischendurch muß das sich ansammelnde Bohrmehl aus dem Spit und dem Bohrloch entfernt werden, sonst geht es nicht weiter. Aus dem Spit bekommt man es durch herausschütteln oder durch sanftes Klopfen, aus dem Bohrloch durch herausblasen - Augen zu! Pfiffige und Ordnungsliebende haben ein Stück Benzinschlauch dabei, mit dem man das Loch bequem ausblasen kann. Bei manchem Gestein und feuchter Atmosphäre kommt man aber ohne Nagel zum Auspuhlen (Korkenzieher des Taschemessers, was auch immer) nicht weiter, wenn das Bohrmehl hartnäckig überall klebt. Entfernt man das Bohrmehl nicht, gibt’s auch keinen Vortrieb mehr, die Krone des Spit wird aufgetrieben und das Loch größer, als es für einen ordentlichen Sitz des Spit gut ist.

Der Spit wird so tief eingeschlagen, daß die anschließend zu montierende Spitlasche plan auf dem Felsen aufliegt und dabei keine Distanz zwischen Spit und Lasche mehr besteht, weiterhin muß der Keil möglichst weit in den Spit eingetrieben werden. Empfohlen wird, das Loch so tief zu bohren, daß es etwa 1,5 mm tiefer ist als der Spit lang, die meisten Spitsetzer haben eine entsprechende Markierung. Ist die Auflagefläche für die Spitlasche nicht völlig plan, bohrt man das Loch bündig zum Spit. Er steht dann etwas vor (maximal 1,5 mm!), das ist günstiger als wenn eine Distanz zwischen Lasche und Spit bestehen bliebe und er durch die Schraube und die Lasche auf Zug belastet würde. Wenn am Anfang ein kleiner Krater durch ausbrechendes Gestein enstanden ist, ist das nicht weiter schlimm. Er sollte jedoch nicht tiefer als maximal 2 mm sein, sonst sollte man lieber ein neues Loch setzen.

Abbildung 155: Sauber gesetzter Spit

Nach Weber, D. in [5]

Es versteht sich von selbst, daß man vorher die Gesteinsoberfläche von losen Oberflächen befreit hat und an der Auflagestelle der später draufzuschraubenden Lasche eine plane Fläche geschaffen hat. Gut gelingt das mit bereits aufgesetztem Spit. Kommen einem dabei schon Schalen von 2 cm Dicke entgegen, setzt man den Spit lieber an einer anderen Stelle. Das Bohrloch muß senkrecht zur geschaffenen Auflagefläche und diese parallel zur späteren Belastungsrichtung der Aufhängung sein, da der Spit auf Zug nicht belastbar ist. Zwar kann man in den meisten Fällen im sächsischen Gneis einige Belastbarkeit auf Zug annehmen, aber eben nicht immer.

Ist das Loch gebohrt, wird der Keil in den Spit eingesetzt, mit einem leichten Hammerschlag fixiert, dann der Spit samt Keil wieder ins vorher ausgeblasene Bohrloch gesteckt und festgeschlagen. Der Keil treibt den Spit hinten auf (es sind spezielle Sollbruchstellen eingearbeitet, die eine weite Spreizung erlauben) und verankert ihn so im Fels. Diese Verankerung ist wie gesagt nur eine Lagesicherung, die Kraft wird auf Scherung und nicht auf Zug aufgenommen. Das Setzen eines Spit dauert zwischen zehn und zwanzig Minuten.

Einen ideal sitzenden Spit zeigt Abbildung 155. Diverse unbrauchbare, weil fehlerhafte Spits zeigen die Bilder in Abbildung 156. In Abb. 2 sitzt der Spit nicht tief genug, damit wird der tragende Teil verkürzt und es besteht das Risiko des Ausbruchs, da die Belastung statt als Scherkraft als Biegemoment wirkt. In Abb. 3 dagegen sitzt der Spit zu tief, dadurch wird durch die Schraube über die aufliegende Lasche eine zusätzliche Zugkraft ausgeübt und es besteht die Gefahr des Ausziehens, zudem wird die Schraube wiederum auf Biegung statt auf Scherung belastet, wodurch das Risiko eines Schraubenbruchs steigt. Abb. 4 zeigt einen Spit, welcher in einer Vertiefung sitzt, Risiken und Nebenwirkungen wie Abb. 3. Ähnlich in Abb. 5, es hat sich ein tiefer Ausbruchskrater am Bohrlochanfang gebildet, Risiken ebenfalls wie in Abb. 2. Der Spit in Abb. 6 ist beschädigt (ausgebrochen oder gesprungen) und die Gewindegänge sind nicht mehr belastbar, somit kann die Schraube leicht herausfallen. Abb. 7 schildert die Verhältnisse bei zu groß gebohrtem Loch (passiert beispielsweise bei Verwendung eines bereits an der Krone verformten Spits), die Klemmwirkung ist unzureichend und der Spit kann herausfallen. In Abb. 8 sitzt der Spit nicht senkrecht, beziehungsweise die Lasche nicht parallel zur Wand, dadurch kann die Plakette nicht tief genug eingeschraubt werden, oder bringt Biegespannungen auf, zudem wird die tragende Länge des Spit wird vermindert. In Abb. 9 hat ein eifriger Bohrwurm das Loch zu tief gebohrt, was dazu führt daß der Spit nicht genug gespreizt wird und nicht sicher im Loch sitzt. Abb. 10 zeigt, was passiert wenn man unter Tage säuft: Prima Sprit statt prima Spit - alles schon dagewesen! Die Abb. 1-8 sind nach nach Weber, D. in [5], S.17ff., gezeichnet.

 

Abbildung 156: Diverse Fehler beim Setzen von Spits

Nach Weber, D. in [5]

Erläuterungen im Text

Weitere, beliebte Probleme bei der Verwendung von Spits:

·  Im harten Gestein brechen die Bohrzähnchen leicht aus oder werden stumpf. Im Kalk passiert das eigentlich nie, im Gneis oder gar Syenit kann man auf diese Weise für ein Loch leicht zwei oder drei Spit verbraten. Ist die Krone im Eimer, lohnt es sich nicht, auf dem Stummel weiter herumzuhauen, man muß schon zum nächsten greifen. Im Zweifelsfalle probiert man besser ein Stück daneben. Gegen Quarz sind Spit machtlos.

·  Nach dem Einschlagen kontrolliert man den Spit auf Risse, die durch Materialfehler von den Sollbruchstellen ausgehend den ganzen Spit bis vorn aufreißen können und so der Schraube die Chance geben, das Gewinde unaufgefordert zu verlassen.

·  Breiten sich nach dem Einschlagen spinnenwebförmige Risse um den Spit aus, ist er ebenfalls unbrauchbar.

·  Bei als unbrauchbar erkannten Spit zerschlägt man das Gewinde und verdeckt sie durch Dreck. Man sieht sich auch die von Fremden geschlagenen Spit vor der Benutzung genau an und probiert auch mal auf Zug, um Kandidaten wie in (Abbildung 156, Abb.10) auszusortieren.

Hat man eine Akkubohrmaschine zur Verfügung, ganz Harte können auch mit einem Steinbohrer hantieren, kann man längere Löcher bohren und mit den verschiedenen handelsüblichen (Speleokatalog oder Normteilehandel, nicht Baumarkt!) Schrauben und Dübeln tiefer sitzende, also sicherere und auch auf Zug belastbare Aufhängungen schaffen. Speziell in oft befahrenen Schächten ist das eine lohnende Mühe. Von der Sicherheitsseite her am besten geeignet sind Klebeanker, da diese den Felsen nicht zusätzlich zur Traglast mit weiteren Spannungen belasten, die von allen anderen kraftschlüssig arbeitenden Befestigungssystemen zwangsläufig ausgehen. Man muß lediglich die Aushärtezeiten beachten, die von den Herstellern gern optimistisch bei Sonneneinstrahlung und 30°C Felstemperatur angegeben werden und die im kühlen Bergwerk erheblich größer sind. Ebenfalls empfehlenswert sind nichtrostende Spreizdübel, bei denen die Spreizwirkung nicht von der Tiefe des Bohrlochs abhängt. In aller Deutlichkeit muß jedoch gesagt werden, daß eine Akkubohrmaschine kein Allheilmittel ist und ganz schnell zum Pfusch verleiten kann. Auf folgende Punkte sei hingewiesen:

·  Man hat mit der Bohrmaschine kein Gefühl für den Untergrund. Im Gegensatz zum Setzen mit Hand kann man auch in den mistigsten Fels ein rundes Loch bohren, ohne mitzubekommen, daß beispielsweise der Gneis an dieser Stelle schon völlig zersetzt ist. Doppelte Vorsicht bei der Untersuchung des Untergrundes ist notwendig. Auch die Möglichkeit, schnell mal 3 bis 4 halbgewalkte Aufhängungen statt einer sauberen zu setzen (eine wird schon halten), ist nicht gerade sicherheitsförderlich.

·  Bohrt man Löcher für Spit, so darf man diese nicht bis zur Endtiefe mit der Bohrmaschine fertigstellen, sondern muß die letzten 2, 3 mm per Hand nacharbeiten. Erstens ist sonst durch den Winkel an der Bohrerspitze nicht gesichert, daß der Keil weit genug in den Spit eingetrieben werden kann, zweitens ist man sich nie über die Tiefe des Bohrlochs so sicher wie für einen ordentlichen Spit erforderlich.

·  Auch die beste-tiefste-dickste Aufhängung kann in einer Platte sitzen, die sich schon lange aufs Abgehen freut – es sind grundsätzlich zwei Aufhängungen für eine sichere Seilbefestigung erforderlich!

Sowohl auf Spits wie auf andere Dübel werden Laschen aufgeschraubt, an denen das Seil befestigt wird. Bei Spits ist darauf zu achten, daß die Schrauben nicht zu lang werden (am besten Laschen gleich komplett mit Schraube kaufen), damit der Keil nicht wieder ausgedrückt wird. Es gibt Laschen in verschiedenen Formen, die je nach Lage des Spits zur Seilzugrichtung eingesetzt werden. In die Blechlaschen kann das Seil nur mittelbar über einen Karabiner eingehängt werden, in größter Not mit einer Bandschlinge, da es für den geringen Biegeradius nicht ausgelegt ist. Es gibt auch Laschen (Clowns), die einen direkten Seileinbau erlauben, und Aufhängungen in Ringform.

Die Laschen werden nur handwarm festgeschraubt, da auf eine richtig „angebrummte“ Schraube zusätzlich zur Belastung durch das Seil noch die interne Zugspannung wirkt, sie kann leichter brechen. Zudem kann sich bei sehr fest sitzender Schraube die Lasche nicht entsprechend der Belastungsrichtung ausrichten und bringt ein Drehmoment als ebenfalls zusätzliche Belastung auf die Aufhängung auf.

Abbildung 157: Legen einer seitlich nicht verschiebbaren Aufhängung um einen natürlichen Sicherungspunkt

Eine schnelle Alternative zum Bohren sind Felshaken (Fichtelhaken und Normalhaken), wie sie im Alpinismus zur Sicherung verwendet werden. Auch im Altbergbau haben sie ihre Spezialstrecke beim Sichern im Kletterfall. Für stationäre Abseilstellen sind sie einfach zu unsicher. Da beim Aufstieg speziell in Tonnlägern das Seil immer wieder be- und entlastet wird, haben Felshaken optimale Bedingungen, um sich loszurütteln. Eingeschlagen werden die Felshaken in solide Risse im Anstehenden, hinter Lösern oder mit Letten in Drusen eingeklebt sind sie deplaziert. Noch wichtiger als bei den Spit ist bei Felshaken die Kontrolle, daß in keinem denkbaren Fall die Seillast auf den Haken ausziehend wirkt. Der Haken muß beim Einschlagen „singen“. Das klingt technisch und für den Anfänger geheimnisvoll, aber wer einen Hammer halten kann, erkennt auch, wenn der Haken richtig angezogen hat und sitzt. Trotz aller Vorsicht wird man bemerken, daß auch sauber geschlagene und vor der Belastung einwandfreie Haken nach Abseilen und Aufstieg plötzlich ganz leicht aus ihrem Ritz wieder hinausspringen.

Abbildung 158: Kräfteverhältnisse an einer Zwei-Punkt-SeilAufhängung

Wenn gar nichts hält, weil die Stöße auf dutzende Meter nur aus zersetztem Gestein bestehen, muß man entweder einen richtig tiefen Klebeanker bis ins solide Gestein bringen, wobei das Loch gut einen Meter lang sein kann muß (sein müssen kann? kann werden muß? Nußmus!). Alternativ kann man ein Gerüstrohr oder ein Stück Schiene (am besten aus einem Mundloch sägen) über den Schachtmund legen, so daß es auf beiden Seiten sicher auf dem Anstehenden ruht. Auch eine Schraubspreize oder ein Gerüstfuß ist eine sichere Aufhängung, wenn man ihn gut in Bühnlöcher einsetzen kann. Auf derartigen Aufhängungen muß man das Seil gegen seitliches Verrutschen sichern, das kann man einfach mit einer Bandschlinge wie in Abbildung 157 bewerkstelligen. Das Prinzip ist das gleiche wie beim Prussikknoten, auch hier kann man mit einer weiteren Umschlingung den seitlichen Halt der Schlinge verbessern.{mospagebreak}

14.5.10   Der Ausbau von Schächten mit dem Seil

Man kann eigentlich gar nicht viel falsch machen. Prinzipiell sitzen am Anfang jeden Seiles zwei sichere Aufhängungen, Seilreibung muß vermieden werden, beim Ausbrechen einer Aufhängung muß der entstehende Fangstoß möglichst klein sein.

Am besten wird die Seillast auf die zwei Aufhängungen wie in Abbildung 158 verteilt (über Schlingen oder Hasenohrenknoten). Über die bekannten Formeln der Mechanik oder – einfacher und anschaulicher über das „Kräfteparallelogramm“ kann man die

a)

b)

Abbildung 159: Seilaufhängung in einer Schlinge zwischen zwei Aufhängepunkten

a) Bei Verwendung dieser Aufhängung müssen die Aufhängepunkte etwa symmetrisch sitzen und dürfen nicht zu weit von einander entfernt sein, sonst wird beim Ausbrechen einer Sicherung die Sturzlänge zu groß; b) Die längere Aufhängung wird abgebunden zur Verringerung der eventuellen Sturzlänge, Zwei Knoten dürfen jedoch nicht gesetzt werden- sonst wird nur ein Strang der Aufhängung belastet

Kräfteverhältnisse für die Aufhängung an den 2 Punkten bestimmen. Die in Punkt C angreifende Kraft wird in die Teilkräfte FA und FB zerlegt, die auf die jeweilige Aufhängung wirken. Man merkt schnell, daß sich ein kleiner Winkel g günstig auf die Belastung der Aufhängungen auswirkt. Bei g=120° wirkt auf A und B die volle Kraft F, und bei weiter steigendem g läßt sich die Kraft auf die Aufhängungen ins Unendliche treiben – das ist auch beim Einrichten eines Quergangs zu beachten!

Die Einbindung des Seils in zwei Aufhängungen mit einer Schlinge zeigt Abbildung 159, auf diese Weise wird die Kraft auf beide Schlingenstränge verteilt und beim Ausreißen einer Aufhängung wird das Seil dennoch in der Schlinge verbleiben. Man kann, um den Fangstoß beim Ausreißen einer Aufhängung zu minimieren, einen Knoten setzen. Einfacher geht es mit zwei kurzen Schlingen, dann läßt sich auch wie beim Hasenohrenknoten die Lages des Seils im Schacht beeinflussen (Abbildung 160). Die Länge der Ohren beim Hasenohrenknoten läßt sich im übrigen auch im geknüpften Zustand schön anpassen.

Abbildung 160: Änderung der Lage des Seils bei einer Zwei-Punkt-Aufhängung

Abbildung 161: Seilaufhängung an zwei Punkten ohne Lastverteilung

Die Sturzlänge im Fall eines Ausriß der belasteten Seilaufhängung ist bei der Aufhängung links größer als bei der rechts gezeigten

Ist eine Zwei-Punkt-Aufhängung nicht realisierbar, dann wird nur eine Aufhängung belastet und die zweite Aufhängung dient im Fall des Versagens der ersten als Rückversicherungspunkt (Abbildung 161). Beim Ausbruch der ersten Seilaufhängung wirkt aber zusätzlich zur Last noch der Fangstoß auf die zweite Seilaufhängung. Daher sollte die

Abbildung 162: Schachtausbau für eine in Sachsen häufige Situation

Erläuterungen im Text

Verbindung in einem solchen Fall möglichst kurz sein und auf unnötiges "Schlappseil" verzichtet werden, um die Sturzlänge gering zu halten.

Abbildung 163: Günstige Längenverhältnisse an einer Umsteigestelle

Wo das Seil im Schacht laufen soll, richtet sich zunächst nach dem Zustand des Schachtes selbst. Man wird selbst­verständlich die Stelle mit dem geringsten Sudelbatz wählen, sieht sich nach eventuellen Lösern um. In Wismutschächten ist das Fördertrum meist das geeignetere, im Fahrtentrum hat man oft gegen die Reste der Fahrten und Bühndeckel zu kämpfen. Hat man jedoch in Tonnlägern noch tragfähige Einbauten (speziell: gut erhaltene Fahrten, Schienen mit Schwellen) zur Verfügung, wäre es dumm, auf diese zu verzichten, da das Hochsteigen in diesen Schächten nicht zu den Freuden einer Befahrung gehört. Man braucht dann hochzu nur eine Selbstsicherung und kann auf den Rest der Steigtechnik verzichten.

Wechselt der Zustand der einzelnen Trümer des Schachtes unterwegs, wechselt man mit. Man setzt dann im Schacht eine Zwischenbefestigung. Eine Zwischenbefestigung setzt man ebenfalls, wenn dies zur Vermeidung der Seilreibung an Kanten erforderlich ist, oder in einem langen Schacht. Dann können mehrere zugleich steigen - natürlich nur, wenn die Steinschlagsituation es zuläßt. Zwischenaufhängungen müssen zwar auch sauber sitzen, brauchen aber nicht mehr doppelt zu sein - im Fall des Ausreißens der Zwischenbefestigung hängt man ja noch an der weiter oben befindlichen Aufhängung. Beim Einbau der Umsteigstellen berücksichtigt man die Seildehnung und läßt eine entsprechende Schlaufe hängen, damit man auch bei entlastetem Seil noch den Abseiler ein- und ausbauen kann Günstig ist eine Seilschlaufe des entlasteten oberen Seiles von etwa einem halben Meter (Abbildung 163). Die Passage einer solchen Umsteigstelle wird weiter unten erläutert.

Abbildung 164: Weitere typische Abseilsituation

Erläuterung im Text

Eine Lehrbuchvariante für einen "typisch sächsischen" Schacht zeigt Abbildung 162. Die zwei Aufhängungen a) sitzen in sicherer Entfernung vom Schacht (man kann auch beim Stolpern noch nicht hineinfallen) und gewährleisten die mechanische Sicherheit der Aufhängung auch im Falle, daß die Aufhängung b) ausreißt. Zudem dient das kurze Stück Quergang zur Sicherung während des Setzens von b) und beim Einbau des Abseilers. Die Aufhängung b) dient für den ersten Seil­abschnitt zur günstigen Position­ierung des Seils. Die Seilführung c)

dient dazu, das Seil bis zur Umsteigstelle vor der Reibung am Stoß zu bewahren (an dieser Stelle gibt es keinen Knoten, das Seil wird lediglich geführt, beim Passieren der Stelle hängt man einfach den Führungskarabiner aus und nach sich wieder ein. Das Stück Schlinge, welches die zwei Karabiner verbindet, ist in der Darstellung etwas zu kurz gekommen). Aufgrund des geringen Umlenkwinkels wirken auch nur geringe Kräfte auf die Aufhängung c) (siehe Abbildung 166), so daß auch ein Spit auf Zug oder ein mäßiger Haken als Aufhängung verwendet werden kann. Im Fall eines Versagens wären die Folgen im Beispiel auch unkritisch. Die Aufhängung d) wird mittels einer statischen Schlinge realisiert, das Seil hat keinen Kontakt zum Felsen. Eine solche Aufhängung ist einem wacklig postierten Spit auf der Felsnase vorzuziehen. Es darf sich jedoch keine Hebelwirkung über den Karabiner ergeben, die auf den Spit ausziehend wirkt – sonst müßte die Position des Spit geändert oder eine Lasche zur direkten Anbindung der Schlinge verwendet werden. Ist keine abgerundete Nase, sondern eine scharfe Kante an dieser Stelle vorhanden, besteht die Gefahr des Durchreibens auch bei einer statischen Schlinge. Man muß dann abschätzen, ob ein Versagen an dieser Stelle kritisch wäre, und gegebenenfalls unmittelbar bei e) eine – hier nicht dargestellte – weitere Aufhängung setzen. Ganz sauber wird eine solche Situation mit einer Schlinge aus Drahtseil gelöst – wenn man den Schacht öfter befahren will und nicht nur eine erste Erkundung durchführt, bereitet man eine solche vor.

Kann aus irgendwelchen Gründen eine Scheuerstelle nicht vermieden werden, sorgt man dafür, das daß Seil nicht am Felsen reibt. Es gibt fertige Seilüberzieher, ein untergelegter Schleifsack tuts auch. Beide Varianten müssen gegen Verrutschen gesichert werden, durch das „Pumpen“ beim Aufstieg sind sie sonst bald nicht mehr da, wo sie sein

Abbildung 165: Seilverlängerung unmittelbar an einer Umsteigestelle

Bei dieser Variante kann man die Seilverbindung oft einfacher passieren als im frei hängenden Seil, daher sollte man, so man sein Seil nicht auf den letzten Meteer ausreizen muß, zu dieser Variante greifen, und lieber vier, fünf Meter aufgeschossen danebenhängen. Die Seile sind miteinander verbunden, nicht nur mittelbar über den Karabiner! Jedoch darf die Seilverbindung im Normalall nicht direkt belastet werden, sonst könnten die Seile lokal durchreiben.

sollten. Der manchmal empfohlene längs geschlitzte Wasserschlauch ist praktisch, aber wirkungslos, da er sich schnell mit dem Schlitz zur Kante hingearbeitet hat.

Abbildung 166: Kräfteverhältnisse an einer Seilumlenkung

Die ausziehende Kraft FA beträgt bei einem Winkel alpha~15° etwa 25% der Seilkraft FS, bei alpha~9° etwa 15% der Seilkraft FA.

Eine praxisnahe, ebenfalls für Sachsen typische Einbausituation zeigt Abbildung 164. Im Hintergrund ist ein typisches Schlägelprofil für einen Stolln, aufgefahren im Gangeinfallen wie auch der Schacht, angedeutet. Das Füllort kann ohne Absturzgefahr auf dem Sims b) betreten werden. Die Aufhängung a) ist selbstverständlich doppelt ausgeführt. Schwachpunkte dieser Aufhängung sind die Kante c) die dem Seil gefährlich werden könnte (Schleifsack oder Scheuerschutz verwenden), und die (zwar sehr geringfügig, aber doch) auf Zug belasteten Aufhängungen a). Zum einmaligen Erkunden der Abbaustrecke e) und der Fahrbarkeit des Schachtes reicht die gewählte Aufhängung aber allemal aus, wenn die Spit a) zuverlässig sitzen. Will man tiefer, empfiehlt es sich, spätestens in d) eine weitere Aufhängung zu setzen. Alternativ hätte man gleich bei f) eine Seilführung anbringen zu können. Man erkennt, daß es keine Patentrezepte gibt, sondern daß man situationsbezogen entscheiden muß.

An einem Seilabschnitt hat nur ein Befahrer etwas zu suchen, oder anders herum - jedem seine Zwischenbefestigung. Verläßt man seinen Seilabschnitt – das heißt nach dem Entfernen aller Gerätschaften und auch nicht mehr mit einem Bein in einer fremden Schlaufe hängend, gibt man ihn für den Nächsten frei: „Seil Frei!“. Dann kommt ein „OK“ oder ein „wurde ja langsam Zeit!“ zurück. Umgekehrt wartet man auch selber mit dem Einbau in den nächsten Seilabschnitt bis dieser vom Vorgänger freigegeben wurde. In langen Schächten funktioniert die Verständigung auf Zuruf nicht mehr gut (auch deswegen in langen Schächten Zwischenbefestigungen), man kann dann auf die bewährte Anschlägertechnik zurückgreifen, so Schienen oder Preßluftleitungen vorhanden und

Abbildung 167: Umsteigestelle im frei hängenden Seil mit speziellem Achterknoten

Nach Katalog Petzl

Abbildung 168: Umsteigestelle im frei hängenden Seil mit Sicherungsschlinge

Statt des Achterknotens zur Seilverbindung kann, wer kann, den doppelten Spierenstich verwenden (Abbildung 139).

ausreichend fest: 1 x „Halt“, 2 x „Weiter“, 3 x „Umkehren“, andauernde kurze Signale

 „Gefahr“.

Eine Seilverlängerung realisiert man am besten unmittelbar an einer Umsteigstelle. Die zwei Seile werden auf jeden Fall direkt über einen gesteckten Achter – nicht nur über den Karabiner! - miteinander verbunden (Abbildung 165). Herumhängende Enden werden mit einem Endknoten gesichert!

Wird eine Umsteigstelle im frei hängenden Seil erforderlich, braucht man eine Möglichkeit seine Zwischensicherung einzuhängen. Das geht mit einem weiteren Achterknoten im endenden Seilstück (Abbildung 168) oder eleganter und seilsparend mit einer weiteren Abart des Achterknotens (Abbildung 167).

Abbildung 169: Verwendung von durchgehenden Seilen für mehrere Schächte, Erläuterung im Text

Den Ausbau des Schachtes nimmt der erste Abseilende vor, der auch schon den Schacht soweit notwendig bereißt. Umsteigstellen baut man im senkrechten Schacht zwangsläufig unter sich ein und muß sie dann auch noch selbst passieren. Hat man Glück, findet man (speziell im Tonnläger) jedoch eine kleine Standfläche, kann dort in Ruhe und im Stehen die Aufhängung setzen und die Umsteigstelle so befestigen, daß man schon darunter hängt. Diese Variante ist auch für die Nachfolgenden praktisch, die sich nicht so mit dem Aushängen der Longe schinden müssen.

Hat man am Schachtgrund noch sehr viel Seil übrig, mit welchem man gleich den nächsten Schacht oder Quergang sichern möchte, muß man eventuell weitere Sicherungen setzen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. In Abbildung 169 sind solche Situationen dargestellt: der Quergang zur Absicherung am Schacht c) braucht auch bei b) eine Befestigung, ließe man sie weg, käme man wahrscheinlich schon im Schachtgrund von c) an, bevor das Seil greift – es ist zuviel schlaffes Seil draußen, der Fangstoß wäre sehr stark. Analog braucht der Schacht bei d) wiederum eine Doppelaufhängung. Müßte man hier einen Quergang bis zum Füllort installieren, wäre zudem bei e) noch eine Aufhängung nötig.

a)

b)

c)

d)

e)

f)

Abbildung 170: Umsteigstelle beim Abstieg

 

a) Einhängen der kurzen Longe, Abseilen bis man in der kurzen Longe sitzt; b) 1. Herausnehmen des oberen Seils aus dem Abseilgerät und 2. Einlegen des unteren Seils in das Abseilgerät; c) Festlegen des Abseilers; d) Umhängen der Abseilsicherung; e) Aushängen der kurzen Longe; f) Aufheben der Blockade des Abseilers und entspanntes Abseilen

Läßt man dagegen Seil im Schachtgrund liegen, entfernt man es aus dem Steinschlagbereich und schützt es vor Dreck und Sudel, am besten läßt man es im Seilsack. Je nach Situation kann es empfehlenswert sein, das Seil unten irgendwo nochmals zu fixieren - dann ist man sicher, daß es auch auf dem Rückweg noch da ist. Es sollte jedoch nicht straff gespannt werden, um auch einem Folgenden das Abseilen zu ermöglichen.

Der Zurückbau eines Schachtes erfolgt in umgekehrter Reihenfolge: Der Letzte steigt auf, demontiert alle Laschen und entfernt die Knoten aus dem Seil. Bestehen aufgrund vorhandener Einbauten im Schacht Bedenken, daß sich das Seil verhängen könnte, nimmt er es gleich beim Hochsteigen aller paar Meter auf und verstaut es im Seilsack. In leeren Schächten läßt sich dagegen das Seil (nichts anderes!) fast immer problemlos über die ganze Länge nach oben ziehen.{mospagebreak}

14.6 Seiltechnik in vertikalen Bauen

14.6.1 Das Abseilen

Das Abseilen an sich ist die einfachste Sache: bereits mit der kurzen Longe gesichert, baut man den Abseiler und die Abseilsicherung ins Seil. Die Abseilsicherung hängt an der langen Longe. Dann wird die kurze Longe ausgeklinkt. Mit der Bremshand korrigiert man die Abseilgeschwindigkeit, die freie Hand führt die Abseilsicherung nach oder tut irgend etwas anderes (Die Abseilsicherung ist aus Darstellungsgründen nicht auf allen Bildern dargestellt. Sie ist trotzdem unbedingt zu verwenden!) Die Beine stützen im Tonnläger gegen das Liegende ab. Benötigt man beide Hände, legt man das Seil wie oben beschrieben fest.

Alles ist also einfach bis zur ersten Umsteigstelle. Eine solche bewältigt man folgendermaßen: Man fährt bis an die Umsteigstelle heran und sichert sich mit der kurzen Longe (Achtung: Nur in Karabiner einhängen! Hängt man sich in eine Seilschlaufe, bekommt man den Karabiner aus dieser nicht mehr heraus, wenn das Seil belastet ist). Dann fährt man weiter ab, bis man statt am Abseiler an der Longe hängt. Man baut den entlasteten Abseiler aus und in das nach unten weiterführende Seil ein. Dort legt man ihn fest (genügend Platz oberhalb lassen, damit man die Abseilsicherung noch umsetzen kann). Mit festgelegtem

Abseiler hängt man wieder an zwei Punkten (Abseiler und kurze Longe) und baut die Abseilsicherung ins unter der Umsteigstelle liegende Seil ein.

Nun kommt der spannende Punkt: man muß die kurze Longe, in der man ja noch hängt, ausbauen und sich wieder in den Abseiler hängen. Standardvariante, wenn gar nichts mehr geht: die Fußsteigklemme ins von oben kommende Seil einbauen, hochtreten und so die Longe entlasten. Die Seilklemme darf dabei nicht zu hoch eingebaut werden, sonst kommt man nachher nicht mehr an sie heran und kann sie auch nicht ausbauen. Man versucht natürlich, den Aufwand mit der Steigklemme zu vermeiden. Im Tonnläger tut’s oft ein kräftiger Klimmzug, gute Umsteigstellen sind ohnehin dort, wo man auf einem kleinen Sims oder etwas ähnlichem stehen kann. Man kann auch, wenn die Schlaufe die richtige Länge hat, in die Seilschlaufe treten. Anschließend löst man den Festlegeknoten des Abseilers und fährt weiter ab. In Abbildung 170 ist das Ganze dargestellt.

Während der ganzen Umbauaktion sollte man, speziell noch einmal vor dem Lösen der Longe, kontrollieren, ob man sich nicht im Seil verfitzt hat. Das passiert gern, wenn die Schlaufe zu lang war - dann hängt der Rucksack auf einer anderen Seite des Seils als man selber, oder die lange Longe zur Selbstsicherung ist noch einmal um das Seil oberhalb der Umsteigstelle geringelt.

Abbildung 171: Gerätschaften für den Aufstieg

Eine Umsteigstelle im freien Seil (an einer Seilverlängerung) wird genauso passiert, nur das man hier auf jeden Fall die Handsteigklemme einbauen muß, um die kurze Longe wieder auszuhängen.

14.6.2 Das Aufsteigen

Wer runter kam, will auch wieder nach oben. Bewährt und mit etwas Training und angepaßter Ausrüstung gar nicht so uneffektiv ist die hier beschriebene „Froschtechnik“. Sie hat den Vorteil, daß sie problemlos zu beherrschen ist, geringsten Materialeinsatz erfordert und an Umsteigstellen besonders einfach zu handhaben ist. Für sehr lange, senkrechte Schächte gibt es effektivere Steigmethoden, wie zum Beispiel in Meredith ([1]) beschrieben werden.

Abbildung 172: Aufstieg im ausgeräumten Gang

Foto: privat

Man arbeitet mit zwei Steigklemmen, welche wechselseitig gegeneinander verschoben werden. Die eine sitzt fest eingebunden vor dem Bauch, die zweite ist beweglich, mit der Hand am Seil zu verschieben und wird mit der langen Longe mit dem Sitzgurt verbunden (Bild {G48}). Läßt man diese Sicherung weg, ist das ein Himmelfahrtskommando. Versagt die Bruststeigklemme (das Seil springt zum Beispiel heraus oder sie greift einfach nicht) und man rechnet nicht mit einer solchen Änderung im eingespielten Bewegungsablauf, läßt man nämlich die Handsteigklemme los und bleibt nur in einem von 50 Fällen in der Fußschlinge hängen - 49 solcher Versuche enden auf dem Schachtgrund. Die Länge der Fußschlinge bemißt man so, daß bei gestrecktem Bein und straffer Fußschlinge die Handsteigklemme unmittelbar über der Bruststeigklemme sitzt. Ob man die Fußschlinge zum gleichzeitigen Hineintreten beider Füße bemißt oder nur zum wechselnden Benutzen eines Fußes, ob man eine sich zuziehende Schlinge verwendet, um sicheren Halt und schmerzende Füße zu erhalten oder eine starre Schlinge, ist Geschmackssache. Im Tonnläger hat man ohnehin immer ein Bein am Stoß.

Nach diesen Vorbereitungen kann es losgehen. Man legt das Seil in Brust- und Handsteigklemme ein und zieht es unten straff. Nun schiebt man die Handsteigklemme so weit wie möglich nach oben. Hat man nur einen Fuß in der Schlinge, bleibt man erstmal auf dem anderen Bein stehen, andernfalls muß man dazu schon in die Hocke gehen, die Bruststeigklemme blockiert und zieht das Seil nach unten. Dann wird die Handsteigklemme belastet und die Bruststeigklemme entlastet. Dazu tritt man, wenn man nur mit einem Bein in der Fußschlinge steht, mit diesem hinein. War man in der Hocke, weil man die Fußschlinge für beide Beine ausgebildet hat, steht man auf. Theoretisch läuft jetzt das Seil durch die Bruststeigklemme, und man wäre wieder in der Ausgangsstellung und etwa einen halben Meter am Seil emporgeklommen (was sich durch die Seildehnung bei den ersten paar Hüben zu Null reduziert). Praktisch hat das Seilende unter der Bruststeigklemme noch nicht das Eigengewicht, um den Widerstand der Feder zu überwinden, die den Klemmenhebel gegen das Seil drückt, und bildet zwischen Brust- und Handsteigklemme eine Schlaufe. Diese zieht man mit der freien Hand nach unten durch, oder man hat (für Trockenübungen oder die ersten zwei Meter im Schacht) einen Kumpel unten stehen, der das Seil straff hält. Hat man etwa zehn Meter Seil frei unter sich hängen, läuft es meist alleine durch die Bruststeigklemme. Die Zeit dazwischen muß man entweder durchziehen, oder man bindet im Schacht einen Stein

oder schwereren Schleifsack ans Seilende, den der letzte dann wieder löst. Im Schacht steht keiner im Steinschlag, um das Seil straff zu halten!

Für möglichst effektives Aufsteigen ist, wie schon erwähnt, ein fester Sitz der Bruststeigklemme unerläßlich. Lange Longe und Fußschlinge müssen auf den Sitz der Bruststeigklemme und den Körperbau des Befahrers gut abgestimmt werden, was sich erfahrungsgemäß erst nach einigen dutzend Befahrungen zufriedenstellend lösen läßt. Die Hauptarbeit müssen die Beine verrichten, sonst erhält man schnell einen Armkrampf. Man versucht daher, möglichst senkrecht nach unten zu treten und die Hände an der Handsteigklemme nur zum Fixieren der aufrechten Lage, nicht zum Klimmzug zu nutzen. Da man oft noch das Seil nach unten durchziehen muß, also nur eine Hand an der Handsteigklemme hat, ist das Resultat der Übung sonst meist ein ordentlicher Muskelkater am nächsten Tag. Im Tonnläger bleibt das „senkrechte nach unten Treten“ natürlich graue Theorie. Auch kräftesparendes Aufsteigen lernt man am besten durch häufige Praxis.

Das Aufsteigen ist zwar kräftezehrender als die Abseilerei, aber das Passieren von Umsteigstellen wird im Steigrhytmus „nebenbei“ mit erledigt. Man sichert sich lediglich, während man die Steigklemmen nacheinander in’s andere Seil umhängt (Bruststeigklemme zuerst!), wieder mit der kurzen Longe am Umsteigpunkt, so daß man immer zweimal am Seil fixiert ist.

14.6.3 Verfitzt - was tun?

Man bastelt sich regelmäßig in Situationen, in die man nicht hineinwollte - als Anfänger sowieso und auch mit etwas Routine baut man noch genügend Mist. Beliebete Beispiele sind das Abseilen bis in den tiefsten Punkt einer Umsteigstelle (an der Aufhängung vorbei) oder in den Abseiler gehedderte Longen und so weiter. Das vermeidet man dadurch, daß man nicht herumdöst, sondern sich vor jedem Handgriff dessen Zweck ruhig durch den Kopf gehen läßt (soll keine Aufforderung zum Blockieren von Schächten durch nachdenkende Befahrer sein!). Weiterhin wird man sich mit etwas Routine auch feste Plätze für das jeweilig benötigte und nicht benötigte Seiltechnikgerafel angewöhnen, was sehr zur Orientierung beiträgt. Nicht benötigtes Gerät entfernt man aus dem Zentralglied, um dort Platz zum Hantieren zu haben, und bringt es seitlich in den Aufhängelaschen des Gurtes unter. Hat man sich doch verheddert, guckt man sich die Bescherung erstmal in Ruhe an. Dann prüft man, ob man noch zweimal im Seil hängt, und hängt sich im Zweifelsfalle einmal mehr ein. Fast in jedem Falle kann man dann durch Einbau der Steigklemmen und kurzes Hochsteigen am Seil das entstandene Chaos lüften und verliert höchstens etwas Zeit. Hat man sich beim Hochsteigen vertan, kann man auch mit den Steigklemme ein Stück am Seil nach unten: durch Lüften des Klemmenhebels (die zweite Sperre verhindert ein gänzliches Verlieren des Seils) kann man das Seil ein Stück entgegengesetzt der Klemmrichtung durchlaufen lassen (Abbildung 142). Dreht man den Aufstiegsrhytmus auf diese Weise um, kommt man ohne großen Umbauaufwand zwei, drei Meter am Seil wieder nach unten, was in den meisten Fällen genügt, um beispielsweise den Schleifsack aus einer Klemmstelle zu befreien.

Auch der generelle Umbau ist kein Problem: seilt man in einen Schacht ab und wird von einer schillernden Wasserfläche empfangen, legt man den Abseiler fest, baut die Hand- und die Bruststeigklemme ein, löst die lange Longe von der Selbstsicherung und hängt sie in die Handsteigklemme ein. Dann entfernt man die Selbstsicherung vom Seil und den Abseiler und kann wieder hochsteigen.

Die umgekehrte Variante ist auch problemlos: Man baut zwischen Bruststeigklemme und Handsteigklemme die Abseilsicherung ein, unterhalb der Bruststeigklemme ins freie Seilende den Abseiler und blockiert diesen. Nun löst man die lange Longe von der Handsteigklemme und hängt sie in die Abseilsicherung. Dann tritt man in die Handsteigklemme, entlastet so die Bruststeigklemme und kann diese aushängen. Setzt man sich wieder nieder, sitzt man im blockierten Abseiler und kann die Handsteigklemme auch noch aushängen, worauf man die Blockade des Abseilers aufhebt und gemütlich abfährt. Reicht die Hand nicht mehr bis zur Handsteigklemme, muß man weiterbasteln und den Abseiler nochmals, diesmal etwas höher, einbauen.

Man ersieht aus diesem, daß es keine ausweglosen Situationen gibt, sondern daß man sich mit etwas Überlegung aus jedem Malheur wieder befreien kann, auch ohne ungesicherte Klimmzüge am Seil. Ist zum Beispiel die Handsteigklemme unerreichbar nach oben geschwebt, behilft man sich mit dem Shunt oder einer Prussikschlinge, oder man schlingt das Seil zweimal um den Fuß und blockiert die beiden Stränge dann mit einer Hand - so kann man auch mit nur der Bruststeigklemme etliche Meter am Seil nach oben. Wichtig ist allerdings, daß die seiltechnische Grundausstattung (Steigklemmen und Abseiler, Abseilsicherung und sonstiger Kleinkram) immer greifbar am Gurt und nicht ganz unten im Schleifsack (und der ganz oben am Schacht) ist. Für den Ersten im Schacht ist das ganz unabdingbar, in glatten, durchgehenden Schächten können die Folgenden natürlich eine Ausnahme machen.

Eine Kameradenbergung ist wegen eines solchen Fitz’ nur dann erforderlich, wenn unzureichend Material am Mann ist (Abseilen mit den Steigzeug im Rucksack, keine 6er Schlinge dabei und ähnliches) oder bei Anfängern, bei denen zum realen Problem leicht noch Panik kommt. Daher müssen bei einer Gruppe mit weniger Bergbauerfahrenen (die Seiltechnik als solche muß natürlich draußen bis zum Sitzen geübt werden, aber die Anwendung unter Grubenbedingungen ist doch etwas anderes) die übrigen Teilnehmer auch die Kenntnisse in Kameradenbergung besitzen (siehe auch Kapitel 14.9).

14.7 Seiltechnik in horizontalen Bauen

Auch in horizontalen Bauen kann sich der Einsatz von Seiltechnik erforderlich machen, wenn Passagen neben offenen Schächten gesichert werden sollen oder man der auf der Sohle der Strecke liegenden Masse nicht traut , wie in Abbildung 124 angedeutet.

Eine noch häßlichere Sache ist das seitliche Fortbewegen an einer glatten Wand – wenn die Masse zum Beispiel schon abgegangen ist, und man die Fortsetzung der bis jetzt benutzen Strecke zwanzig Meter jenseits eines bodenlosen Bruchs sieht. Die dabei anzuwendenden Techniken werden unter dem Titel Aufstieg mit behandelt.

14.7.1 Absturzsicherung

Oft kann man sich an Schächten nur auf schmalen Simsen vorbeimogeln, sind Gesenke zu überspreizen oder verdächtiges Tragwerk zu betreten. Wer als erster eine solch absturzgefährdete Stelle passieren muß, wird dabei gesichert. Oft ist es nicht nötig, gleich einen Quergang nach allen Regel der Kunst auszubauen, siehe unten, zur ersten Erkundung wäre das erst recht ein übertriebener Aufwand.

Gesichert wird mit einem Kletterseil, wie beim Sichern für das Freiklettern beschrieben.

Der Gesicherte hat auf jeden Fall sein Kletterzeug dabei, um sich im Falle eines Absturzes wieder nach oben arbeiten zu können, ihn von oben herauszuziehen gelingt nicht so einfach und ist für ihn auch gefährlicher, wenn das Seil über eine Kante mit bröckelnder Masse läuft. Unabhängig davon muß der oder die Sichernden in der Lage sein, den eventuell Abgestürzten im ungünstigsten Fall auch mit einem Flaschenzug nach oben zu manövrieren. Daß sich diese Vorsichtsmaßnahmen an einem flachen Gesenk relativieren, versteht sich von selbst.

Eine Möglichkeit zur Selbstsicherung an solchen Stellen bietet der Shunt oder ein Klemmknoten. Man befestigt das Seil an einem festen Punkt und passiert das Seil. Natürlich kann auf diese Weise immer nur einer am Seil die kritische Stelle passieren. Auf der jenseitigen Seite wird das Seil so befestigt, daß es nicht zurückrutschen kann. Auch bei dieser Variante benötigt jeder sein Steigzeug. Prekär wird die Situation, wenn doch jemand abrutscht – dann haben die jenseits des Abgrunds stehenden nämlich meist kein Seil mehr, es muß vielmehr erneut zu ihnen zurückgebracht werden. Besteht daher die Gefahr, daß nach einem Einbruch im Tragwerk oder ähnlichen Vorkommnissen dies nicht mehr möglich ist, muß die Stelle vom Ersten zum ordentlichen Quergang ausgebaut werden.

Abbildung 173: Eingerichteter Quergang

 

14.7.2 Quergänge

Ein Quergang beziehungsweise eine Traverse) ist nichts als ein Seilgeländer wie in Abbildung 173 dargestellt. Man passiert ihn, indem man beide Schlingen der Longe abwechselnd verwendet, um auch beim Umhängen gesichert zu sein. Wenn es die Lage des Quergangs erfordert, kann man auch einen direkt ins Zentralglied eingehängten Karabiner verwenden. Hat man keinen Boden unter den Füßen und muß sich am Seil vorwärts ziehen, ist das sogar die beste Variante, weil dann der Schwerpunkt dicht am Seil ist.. Zum Vorwärtsbewegen verwendet man dann vorteilhaft die Handsteigklemme, zur Not auch noch den Shunt als zweite Klemme.

Abbildung 174: Kräfteverhältnisse am Quergang

Der Teufel steckt bei der Einrichtung der Quergänge etwas im Detail. Um bei einem Sturz den Fangstoß gering zu halten, wird Seildurchhang möglichst vermieden und das Seil recht straff gespannt. Das ergibt aber andererseits ebenfalls große Kräfte, schon bei einer Belastung von 80 kg wirkt bei einem Umlenkwinkel von 160° eine Last von 230 kg auf den Spit (Abbildung 174). Dem Dilemma läßt sich nur durch geringe Abstände der Aufhängung begegnen. Setzt man als maximal zulässige Belastung für einen Spit 400 kg an und genehmigt dem Quergangsseil einen Durchhang von einem halben Meter, ergibt sich ein maximal zulässiger Abstand der Aufhängungen von rund 10 m. Um es nicht auf die Spitze zu treiben, sollte man 5 m als Maximalabstand bei minimal 50 cm Durchhang einhalten. Weiterhin ist zu beachten, daß man beim Ausreißen der Endaufhängung mit der üblichen Methode des eingehängten Karabiners abschmiert. Dagegen hilft zunächst einmal eine doppelte Befestigung des Endpunktes wie bei der Seilaufhängung in einem Schacht oder der Einsatz eines – allerdings unbequemer zu handhabenden - Klemmknotens. Verwendet man einen Shunt oder eine Steigklemme, muß man daran denken, daß diese nur in eine Richtung greifen.

Werden Quergänge als dauernde Installation geplant, sollte man sich über die chemischen Einflüsse in der Grube Gedanken machen. Stahlseil kann am Quergang problemlos eingesetzt werden, und im Gegensatz zum Kunstfaserseil ist die Korrosion eines Stahlseils sehr leicht zu prüfen.

14.8 Aufstieg in vertikalen Bauen

Die Kletterei in vertikalen Bauen, also Schächten, Abbauen und so weiter ist nicht jedermanns Sache, und keiner sollte sich durch falschen Ehrgeiz dazu angestachelt fühlen. Prinzipiell sollte man, auch wenn zum Beispiel ein tonnlägiger Schacht ganz einfach aussieht und man schon die ersten Meter problemlos steigen kann, vor allem an den Rückweg denken, der generell wesentlich schwieriger ist. Klettert man abwärts, ist man ziemlich sicher, den Rückweg wieder zu schaffen, man sollte nur nicht unbedacht die letzten zwei Meter einfach springen – das wiederum ist rückwärts schwerer.{mospagebreak}

14.8.1 Freiklettern

Beim Freiklettern wird in der Theorie die sogenannte 3-Punkt-Technik angewandt: drei sichere Standpunkte hat man (zwei Füße, eine Hand oder umgekehrt) und der vierte Punkt wird verschoben. Unter Tage wird man nicht in die Verlegenheit kommen, ausgefallene Klettertechniken anzuwenden, schon ein guter Griff für die Hand ist eine Seltenheit. Dennoch sollte man versuchen, sich an einige grundlegende Klettertips zu halten: keine großen Klimmzüge versuchen, sie sind unsicherer und kraftintensiver als zwei kleine Schritte. Es ist beim Freiklettern verpönt, die Knie zu verwenden – Eleganz zählt unter Tage nicht, aber der richtige Ursprung ist, daß man sonst unbeweglicher wird. Aus dem selben Grund versucht man, Hände und Füße in gesundem Abstand von einander zu halten, so daß Arme und Beine noch leicht gebeugt und nicht gleichzeitig in alle Himmelsrichtungen ausgestreckt sind. Sicherer als die Wandkletterei ist die Kaminkletterei, also das Verspreizen zwischen gegenüberliegenden Stößen.

Daß man die Ausrüstung nicht mit Dreck bewerfen will und daher aus dem Füllort räumt, überlegt man sich auch, bevor man 20 m hoch ist und die Sache langsam bröselig wird.

14.8.2 Sicherung beim Freiklettern

Beim Freiklettern steht das Seil nicht ständig unter Spannung, man bewegt sich zumeist oberhalb des letzten Umlenkpunktes für das Seil. Im Fall des Sturzes wird das Seil ruckartig belastet. Es dehnt sich durch die Belastung aus und übt eine mit steigender Dehnung wachsende Kraft auf den Stürzenden aus. Für die weitere Bewegung entgegen dieser Kraft wird Energie benötigt, die aus der durch den freien Fall erhaltenen Bewegungsenergie des Körpers entnommen wird. Daher wird der Fall immer mehr gebremst, bis die Bewegungsenergie schließlich verbraucht ist und der Stürzende zum Stillstand kommt. Ist der verfügbare Dehnungsweg länger, wird also die gleiche Bewegungsenergie über einen längeren Weg abgebaut, somit ist die auf Seil und Stürzenden wirkende Kraft geringer. Daher werden zum Sichern beim Klettern ausschließlich dynamische Seile verwandt.

a)

b)

c)

Abbildung 175: Sichern beim Freiklettern

 

a) ohne Absturzgefahr; b) und c) mit Absturzgefahr für den Sichernden

 Gesichert wird über einen HMS-Knoten (Abbildung 151). Während des Sicherns bleibt ständig eine Bremshand am Seil, auch beim Seilnachgeben – beim HMS-Knoten ist das ohne den speziellen HMS-Karabiner bisweilen ein schwieriges Unterfangen und sollte von dem, der noch keine Klettererfahrung hat, zunächst über Tage geübt werden. Der Gesicherte erhält immer soviel Seil, daß er sich in seiner Bewegung nicht behindert fühlt, jedoch nicht unnötig viel Schlappseil – ein Meter ist grade richtig. Da der Sichernde im Fall des Sturzes als ausreichendes Gegengewicht wirkt, ist eine Rückversicherung für ihn eigentlich nicht erforderlich (Abbildung 175 Bild a)). „Eigentlich nicht“ ist ein Wort mit der Bedeutung fast immer, wenn die Gefahr des Steinschlags gleichzeitig mit dem Sturz besteht, wenn der Sichernde im Fall des Sturzes von seinem sicheren Stand weggerissen wird, wenn der Sichernde im Fall des Sturzes gegen den Stoß geschlagen würde. Der Sichernde kann sich selber anbinden (Abbildung 175 Bild b)) oder den Sicherungskarabiner direkt am Stoß befestigen (Abbildung 175 Bild c)). Die Gewalt eines Absturzes von nur zwei bis 3 Metern will erst einmal gehalten sein – wer’s nicht glaubt, läßt sich über Tage von einem Sandsack überzeugen. Ein „fester Punkt“ besteht dabei nicht nur aus einem Spit!

 Der Kletternde legt, sobald er kann, eine erste Sicherung. Dies kann eine Schlinge um einen natürlichen Sicherungspunkt, ein Spit, ein Haken, eine Knotenschlinge, ein Keil, Friend oder auch alles andere sein – es muß für den Fall des Sturzes ausgelegt sein. Kann man mit anderen Möglichkeiten keine zufriedenstellende Sicherheit erreichen, muß man eben umdrehen und mit einem Bohrhaken wiederkommen. Die weiteren Sicherungen müssen zumindest in einem solchen Abstand erfolgen, daß man auch bei Berücksichtigung der Seildehnung beider Stränge (gut gerechnet also bis 15% der Aufstiegshöhe) bei einem Sturz nicht wieder unten ankommt. Eine Sicherung zuviel schadet nie, daher legt man an alle sich anbietenden Stellen eine solche, auch wenn sie von der Sturzhöhe noch nicht unbedingt erforderlich wäre. Zum einen ist natürlich ein kurzer Sturz weniger gefährlich als ein langer, zum anderen gibt es keine Garantie gegen das Ausbrechen von Sicherungen im Sturzfall. Auch ausbrechende Sicherungen nehmen einen Teil der Sturzenergie auf und dämpfen den Fall, daher sind auch nicht hundertprozentige Sicherungspunkte nicht zu verachten. Wie bei der Schaffung von Seilaufhängungen kann man beim Legen von Sicherungspunkten versuchen, die auftretenden Lasten auf mehrere Punkte zu verteilen.

 Sowohl für den Seilnachlauf beim Klettern als auch für die Energieaufnahme bei einem Sturz ist es günstig, wenn das Seil in gerader Linie geführt wird und zahlreiche Umlenkungen vermieden werden. Da die Sicherungspunkte nie so ideal liegen werden behilft man sich mit entsprechenden Schlingen zur Verlängerung.

14.8.3 Aufstieg mit technischen Hilfsmitteln

Die erste Stufe ist, sich die Kletterei zunächst durch künstliche Tritte und Griffe einfacher zu machen. Knotenschlingen, Haken und so weiter werden selbstverständlich als Griffe und Tritte verwendet. Prima vorwärts geht es an einem soliden Meißel, der in einem Bohrloch steckt. Für das Erklimmen von Trockenmauern ideal ist das Einschlagen U-förmig gebogener Bewehrungseisen vom Bau.

Abbildung 176: Technische Hilfsmittel beim Klettern

Links) „Hochnageln“ in Schächten; Rechts) Erklimmen von Schächten mit Stange und Strickleiter (Erläuterung im Text)

Ganz technisch wird es beim „Hochnageln“ (Abbildung 176). Mit dieser Technik erklimmt man auch noch Überhänge, allerdings mit einigem Aufwand. Hauptinstrumente sind etwa zwei Meterlange Strickfahrten, die sogenannten „FiFis“ (woher der Name kommt, weiß der Autor auch nicht). In dem Punkt, in dem es nicht mehr weitergeht, wird ein Bohrhaken gesetzt und eine der kurzen Fahrten eingehängt. Man ersteigt diese und setzt oben den nächsten Bohrhaken – so geht es in Zwei-Meter-Schritten vorwärts. Bei dieser Technik ist natürlich eine Akkubohrmaschine etwas Hochfeines! Am zügigsten geht es vorwärts, wenn man in einem Tonnläger die Fahrten jeweils bis zur letzten Stufe erklimmen kann. Im saigeren Schacht muß man sich dagegen im letzten Bohrhaken anhängen, was fast einen Meter Höhe je Bohrhaken raubt. Während der ganzen Kletterei wird natürlich von unten wie beim Freiklettern gesichert! Theoretisch kommt man mit zwei FiFis aus, praktischer sind mindestens vier.

Eine gute Idee für enge Schächte kommt aus tschechischen HöFo-Kreisen: im letzten Sicherungspunkt wird eine Stange befestigt (Alu-Rohr), an deren Spitze eine Strickfahrt befestigt ist. Je nach praktisch zu bewältigender Stangenlänge kann man so jeweils bis 5 m gutmachen (ebenfalls Abbildung 176).

Für freie Quergänge wird man ebenso versuchen, weitestgehend irgendwelche Brücken zu legen, da man sonst die Sicherungspunkte höchstens einen Meter auseinander setzen kann. Handelt es sich um eine längere Strecke, ist es meist sinnvoll, nach unten abzuseilen und sich am anderen Ende des Quergangs wieder emporzuarbeiten.

14.9 Kameradenhilfe, Bergung mittels Seiltechnik

Abbildung 177: Aufstiegshilfe für den Aufstieg mit großen Lasten

Zwischen Hand- und Brust­steigklemme wird ein einfacher Flaschenzug installiert

a)

c)

b)

Abbildung 178: Flaschenzug und RoBlo

a) und b): RoBlo (Rolle + Bloqueur = Rolle + Rücklaufsperre = Rolle + Steigklemme) in Ansicht und Schnitt;

c) Flaschenzug (das Element unten, welches die Zugkraft auf das Seil überträgt, wird auch als „ZuBlo“ bezeichnet, Zug-Bloqueur)

Im nächsten Abschnitt werden einige Techniken beschrieben, mit denen man in der Phase der ersten Hilfe Kameraden aus dem Seil bergen kann. Die beschriebenen Techniken sind alle mit dem Material durchführbar, welches man bei Verwendung der Einseiltechnik immer am Mann hat. Es kann aber nie schaden, wenn je Gruppe eine oder zwei kleine Steigklemmen in Reserve mitgeführt werden. In den Beschreibungen werden die Seilumlenkungen meist über Karabiner ausgeführt. Das ist einmal nicht sehr materialschonend (wenn man einmal hundert Meter Seil unter Last durch einen weichen Karabiner durchgezogen hat, kann man diesen wegwerfen), zum anderen kraftaufwändig infolge der Reibung. Eine zusätzliche Rolle ist daher ebenfalls empfehlenswert!

14.9.1 Kameradenhilfe – Bergen aus dem Seil

Eine sehr gefährliche Situation stellt sich ein, wenn ein Befahrer am Seil hängend nicht mehr in der Lage ist, das Füllort zu erreichen, zum Beispiel infolge Steinschlags oder Entkräftung. Während die Bergung eines Verletzen mittels Seiltechnik aus der Grube eine komplizierte Sache ist, bei der Hektik und unbedachtes Handeln schwere Folgen haben können und bei der es in der Regel auf eine Stunde nicht ankommt, ist die Bergung eines Verletzen aus dem Seil eine Maßnahme der Ersten Hilfe, die unverzüglich auch dann durchgeführt werden muß, wenn sich die Helfenden Ihrer Sache nicht hundertprozentig sicher sind und dadurch ein Risiko für den Verletzten besteht. Bereits fünf- bis zehnminütiges unbeweglichen Hängens am Seil führt zur Bewußtlosigkeit, dreißigminütiges Hängen zum Tode [5], Ausgabe 17! Ist der Verletzte vom Seil geborgen, können die weiteren Schritte in Ruhe folgen und bei Zweifeln Hilfe abgewartet werden.

Abbildung 179: Kameradenbergung aus dem Seil nach oben

Erläuterungen im Text

 Zunächst muß aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten entschieden werden, ob der Verletzte nach oben oder nach unten geborgen werden soll. Zu beachten ist der Zustand des Verunfallten und die voraussichtlich nach der Bergung erforderlichen Hilfsmaßnahmen, die Situation am Schachtgrund und –mund, der Standort und der Kenntnisstand der Retter und die Zeit, die vermutlich für die Bergung in die eine oder andere Richtung benötigt wird. Den Vorzug erhält die Möglichkeit, die eine schnelle und sichere Bergung der Verunglückten und seine spätere Behandlung zuläßt.

Läßt es der Zustand des Verletzten, die Situation im und am Schacht zu und sind am Schachtmund mindestens zwei Helfer verfügbar, ist es das einfachste, den Verletzen nach oben zu bergen – mittels Flaschenzug oder einer einfachen Umlenkung mit Rücklaufsperre (Abbildung 178). Das benötigte Material hat jeder selbst am Mann, mit einem Flaschenzug kann sogar ein einzelner Befahrer einen etwa gleich schweren Verunglückten bergen.

Eine andere Möglichkeit ist der Aufstieg des Helfers mit dem Verletzten. Dazu wird zwischen Hand- und Bruststeigklemme ein Flaschenzug installiert (Abbildung 177), der es ermöglicht, das Körpergewicht des Befahrers und des Verletzten gleichzeitig zu überwinden – eine Methode, welche auch sonst zum Aufstieg mit schweren Lasten Verwendung findet. Allerdings schafft man auf diese Weise nur kurze Strecken in zumutbarer Zeit, und das Verfahren ist für den Helfer sehr kräftezehrend – die zusätzliche Reibung frißt den Kraftgewinn zum großen Teil wieder auf.

Eine Ein-Mann-Methode zur Bergung eines Verletzen nach oben durch nur einen Helfer nach [7] zeigt Abbildung 179. Das Material des Helfers ist schraffiert dargestellt. Die dargestellte Situation ist der Idealfall, wenn man nämlich noch eine separate kleine Steigklemme zur Verfügung hat; die eigene Steigklemme wird man kaum so schnell aus dem Zentralglied bekommen. Ersatzweise kann man jedoch die Handsteigklemme anstelle der dargestellten Bruststeigklemme verwenden und die Handsteigklemme durch einen Shunt ersetzen, man hat dann lediglich einen Karabiner als Griff zur Verfügung. Das untere Seilende muß natürlich lose sein. Die Gewichtskraft des Verletzten FGV wird durch die Gewichtskraft des Helfers FGH kompensiert, wenn dieser in die Trittschlinge steigt. Die Zugkraft der Hand FZ hat noch eventuelle Gewichtsdifferenzen und die Reibung zu überwinden. Schon nach dem ersten Hub hat man freies Seil zur Verfügung (gestrichelt dargestellt), welches man nach einiger Zeit durch einen Karabiner führt, worauf es bald von selbst läuft.

Mit dieser Methode können auch Umsteigstellen überwunden werden. Ist der Verletzte so weit wie möglich nach oben geholt, wird die Trittschlinge zunächst in sein Zentralglied gehängt, dadurch kann er noch einen halben Meter weiterbefördert werden und, falls er in der Longe an der Handsteigklemme hing, diese entlastet werden. Nun wird der Verletzte zunächst mit seiner Handsteigklemme in das nach oben führende Seil eingehängt, dieses straff durch die Steigklemme gezogen und der Verletze wieder etwas abgelassen, bis er voll in seiner Handsteigklemme (über das lange Ende der Longe) hängt. Ist das aufgrund der Seildehnung nicht zu schaffen, strafft man das von oben kommende Seil durch Hineintreten in die rasch umgebaute Handsteigklemme des Helfers und schiebt die Handsteigklemme des Verletzen entsprechend nach. Dann kann auch dessen Bruststeigklemme wie beim normalen Aufsteigen ins nach oben führende Seil eingehängt werden. Während diese Umhängemanövers wird der Verletzte über die Longe gesichert. Anschließend steigt der Helfer am Verletzten vorbei, löst unter sich die Seilbefestigung und wiederholt den Vorgang an der nächsten Umsteigstelle. Der Ausstieg am Schacht läßt sich am treffendsten mit dem Wort „Gebastel“ beschreiben und er wird je nach Situation jeweils anders aussehen müssen. Auch hier hilft, wie immer, ausgiebiges Trockentraining.

Mit der eben beschriebenen Methode kann man einen Verletzten auch allein gut aus dem Seil holen, nur die notwendige Zeit von höchstens einer Viertelstunde läßt sich so nicht einhalten. So bleibt meist nur die Bergung nach unten. Eine Standardmethode wird im folgenden beschrieben, die, sorgsam trainiert, die Bergung eines Verunglückten in kurzer Zeit ermöglicht. Im dargestellten Fall wird davon ausgegangen, daß der Verunglückte beim Aufstieg war, nicht mehr weitersteigen kann und der Helfer von unten kommt. Hängt der Verunfallte in der Abseilsicherung oder muß der Helfer von oben kommen, kann die Methode leicht entsprechend abgewandelt werden (mit den Steigklemmen nach unten steigen!). Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Verletzen aus seiner Bruststeigklemme zu heben, die dargestellte ist erprobt, leicht nachvollziehbar und erfordert keine Kraftaktionen, um den zu Bergenden aus dem Seil zu befreien. Sie wird zum Beispiel in [5], Ausgabe 17 und [7] dargestellt, jeweils mit leichten Varianten zum hier beschriebenen Verfahren – das Prinzip bleibt das gleiche.

Die Ausgangssituation wird in Abbildung 180 Bild a) dargestellt, wobei das Material des von unten kommenden Helfers wiederum schraffiert beziehungsweise gefüllt gezeichnet ist. Auf dem Weg von unten zum Verunfallten werden sämtliche Umsteigstellen aus dem Seil entfernt, weil diese mit dem Verletzten praktisch nicht passierbar sind. Kommt der Helfer von oben, muß er dies während des gemeinsamen Abseilens tun.

Der Helfer steigt am Verunfallten vorbei, so daß seine Handsteigklemme unterhalb der des Verletzten, seine Bruststeigklemme oberhalb der des Verletzten zu sitzen kommt. Das Zentralglied des Verletzten und des Helfers wird aufgeräumt, alles überflüssige Material entfernt. Jeweils die kurzen Enden beider Longen werden verbunden. Unterhalb der Bruststeigklemme des Verletzten wird ein Abseiler befestigt und festgelegt (Abbildung 180 Bild b)). Im Führungskarabiner wird dabei eine Seilumschlingung als zusätzliche Bremse gelegt, wer einen HMS-Karabiner verfügbar hat, setzt einen HMS-Knoten ein. Der Abseiler wird im Zentralglied des Verletzten eingebaut!

 Im zweiten Schritt kommt der Kniff des Ganzen - die „Affenschaukel“ wird installiert, das Zentralglied des Verletzten wird über eine Umlenkung (Karabiner im Griff der Handsteigklemme des Verletzten) mit dem Zentralglied des Helfers verbunden. Als Seilmaterial steht die Fußschlinge des Verletzten zur Verfügung, eventuell muß sie auf passende Länge geknotet werden. Die Verbindung des Verletzen vom Zentralglied an die Handsteigklemme wird entfernt (Abbildung 180 Bild c)).

Nun steigt der Helfer in seine Fußschlinge, hängt seine Bruststeigklemme aus und schiebt die Handsteigklemme des Verletzten so weit wie möglich nach oben (Abbildung 180 Bild d), Schritt 1). Anschließend setzt er sich wieder – sein Körpergewicht bildet nun das Gegengewicht zum Körpergewicht des Verletzten. Es ist nur noch die Reibung und eine eventuelle Gewichtsdifferenz zu überwinden, damit der Helfer den Verletzten so weit als möglich nach oben schieben kann (Abbildung 180 Bild d) Schritt 2). Dadurch wird die Bruststeigklemme des Verletzen entlastet und kann vom Seil gelöst werden (Abbildung 180 Bild d) Schritt 3.). Frei gewordenes Seil wird durch den Abseiler gezogen und dieser wieder festgelegt (Abbildung 180 Bild d) Schritt 4). Dann tritt man wieder in die Fußschlinge und setzt den Verletzten in den Abseiler.

Jetzt ist die Hauptsache geschafft. Der Rest ist einfach. Die Handsteigklemme des Verletzen wird ausgebaut. Das lange Ende der Longe des Verletzen wird in das Zentralglied des Helfers eingehangen, darauf löste der Helfer die Verbindung der kurzen Enden der Longe und hängt sich mit seiner kurzen Longe in das Zentralglied des Verletzen ein. Nunmehr in seiner kurzen Longe sitzend (Abbildung 180 Bild e)), kann er seine Handsteigklemme ausbauen, den Abseiler lösen und den Verletzen und sich selber abseilen (Abbildung 180 Bild f)).

In der Praxis werden sich – wie man beim Training schnell feststellen wird – einige Probleme ergeben, die Abweichungen vom hier beschriebenen erforderlich machen können, was die Verwendung der Longen betrifft. Ist die Verbindung derer zwei kurzen Enden ungenügend, um mit der „Affenschaukel“ hantieren zu können, muß man die lange Longe des Verletzten verwenden, kommt der Helfer in der kurzen Longe am Zentralglied des Verletzten hängend an seine Handsteigklemme nicht mehr ran, kann er sich auch nur mit einem Karabiner in das Zentralglied des Verletzten einhängen, und so fort.

Alle beschriebenen Bergungsmethoden, auch der einfachste Flaschenzug, erfordern Training der Handgriffe über Tage. Ist das prinzipielle Vorgehen klar, werden notwendige Variationen unter Tage im Ernstfall leicht von der Hand gehen. Daher gehört zur ernsthaften Beschäftigung mit der Seiltechnik wenigstens einmal jährlich eine Übung zu solchen Methoden, neben der bereits aufgeführten Literatur gibt es viele weitere einschlägige Veröffentlichungen.

Ist der Verletzte aus dem Seil geborgen, darf er auf keinen Fall flach hingelegt werden, da das in den unteren Extremitäten gestaute Blut zu einem plötzlichen Kreislaufkollaps führen kann. Deshalb ist der Geborgene mindestens 20 Minuten sitzend oder mit herunterhängenden Beinen zu lagern. Dabei sind die weiteren Maßnahmen der ersten Hilfe nicht zu vernachlässigen (Atemwege freihalten,...) [7].{mospagebreak}

14.9.2 Verletztenbergung aus der Grube

Die sichere Bergung eines Verunfallten aus der Grube erfordert profunde Beherrschung der Technik, einen großen Materialaufwand und viele Helfer. Sie kann im Rahmen eines Grundlagen-Handbuches nicht beschrieben werden und erfordert vor allem umfassendes

a)

b)

 

c)

d)

e)

f)

Abbildung 180: Kameradenbergung aus dem Seil nach unten

Erläuterung im Text

 Training.

In gewissem Maße ist der Aufwand natürlich abhängig von der Art der Verletzung und dem bis nach über Tage zurückzulegenden Weg. Solange es sich nicht um Bagatellen handelt, sollte eine solche Bergung generell Spezialisten überlassen werden. Unklar ist, welcher Weg dazu führt. Prinzipiell kann die

 Meldung über jede Notrufnummer abgesetzt werden. Über das Stichwort Altbergbau führt der Weg in Sachsen wahrscheinlich zunächst ins Oberbergamt – sicherlich ist es auch sinnvoll, bei einem Unfall gleich auf dessen Zuständigkeit zu verweisen, damit nicht unnötige Zeit verstreicht, wenn zunächst die Feuerwehr oder der Katastrophenschutz anfährt, womöglich mit einer Handtaschenlampe. Gehabterweise wird übers Oberbergamt die Grubenwehr informiert, welche die weiteren Bergungsmaßnahmen einleitet. Leider – ohne Überheblichkeit und ohne den Mitgliedern der Grubenwehr hohe Motivation, Einsatzbereitschaft und körperliche Bestform abzusprechen – liegt deren Aufgabenbereich im aktiven Bergbau und ihre Ausbildung und Ausrüstung ist auf diesen Bereich zugeschnitten. Für Rettungsaufgaben im Altbergbau am besten ausgebildet und ausgerüstet sind zweifellos die Höhlenrettungen. Die Telefonnummern aller genannten Institutionen sind im Kapitel 0 aufgeführt.

14.9.3 Materialbergung

Selbstverständlich können alle unter „Kameradenbergung“ beschriebenen Methoden auch auf leblose Gegenstände angewandt werden. Man wird sich dafür meist im Voraus mit der nötigen Technik versehen, nicht gerade alleine gehen, idealerweise vorher noch mal in ein spezielles Buch zum Thema Rettung schauen und vorher über Tage durchprobieren. So verbindet man das Angenehme mit dem Nützlichen, wenn man irgendeinen mittelschweren Grubengegenstand vor dem Vergammeln rettet und dabei gleich die jährliche Rettungsübung durchzieht. Auch die Stufenschläger unter den Befahrern müßte so etwas doch reizen?!

Etwas wirklich Zerbrechliches bekommt man, in Anlehnung an Höhlenrettungsmethoden, ganz gut in einem starren Behälter heraus, dessen verbleibende Hohlräume man ausschäumt. Vom Fund wird der Schaum natürlich durch eine Plastefolie getrennt!