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6.1 Grubenbaue
Der Begriff „Grube“ im engeren, bergrechtlichen Sinne steht für einen wirtschaftlich zusammengehörigen Bergbaubetrieb, das Grubenfeld für den räumlich abgegrenzten Bereich, in dem die Grube Abbaurechte hat. Im allgemeinen Sprachgebrauch und so auch im Folgenden steht Grube synonym für Bergwerk.
Als Baue werden alle unterirdischen Grubenhohlräume bezeichnet, die zusammen das Grubengebäude ergeben. Die folgende Aufzählung beinhaltet die bei Befahrung des untertägigen Altbergbaus vornehmlich anzutreffenden Arten der unterirdischen Hohlräume und erhebt keine Anspruch auf Vollständigkeit, da auf technisch bedingte Sonderformen nicht eingegangen werden kann.
Im Gegensatz zu Höhlen sind Bergbauhohlräume von Haus aus immer so groß, daß der Bergmann der betreffenden Zeit auch hindurch paßte (sogenannte Durchhiebe in Abbauen ausgenommen, siehe Abbildung 63). Nicht mehr benötigte Strecken und Stollenabschnitte wurden jedoch oft zum Ablagern nicht mehr benötigten Gesteins benutzt, sie wurden versetzt. Das dazu benutzte Gestein, der Versatz, heißt auch Berge oder Masse (Masse jedoch auch allgemein für stückiges Gesteinsmaterial). Im jüngeren Bergbau wurden nicht mehr benötigte (abgeworfene) Baue auch mit allerhand Unrat verfüllt. Dadurch verengt sich das ursprüngliche Profil genauso wie durch natürlichen Verbruch infolge mangelnder Standfestigkeit des Gebirges, durch Versinterung oder Abrutschen von Verfüllmassen aus Abbauen. Man ist dann froh, wenn von den beschriebenen Bauen noch kleine Mauselöcher übrigbleiben, die zum Hindurchkriechen reichen.
6.1.1 Stolln und StreckenStollen (auch Stolln oder Stölln, Einzahl der Stollen oder Stolln) sind mehr oder weniger horizontal verlaufende, schlauchförmige Grubenbaue mit einer Tagesöffnung und Gefälle nach außen. Sie sind wohl die Art unterirdischer Hohlraum, auf die man im Gelände am meisten aufmerksam wird und auch als erste Befahrungsziele auswählt. Als Strecken bezeichnet man im Gegensatz dazu alle nahezu horizontalen Baue, die keine Tagesöffnung besitzen, von der Gestalt aber einem Stollen gleichen.
Der sprachliche Gebrauch dieser beiden Begriffe ist oft unscharf, da zum Beispiel auch seitliche Abgänge (die strenggenommen eigentlich Strecken sind) von einem zu Tage ausgehenden Stollen als solcher bezeichnet werden, wenn damit die gesamte Sohle des Stollens (und damit sein Entwässerungsniveau) gemeint ist. Neben der durch die Stollensohle(n) vorgegebenen horizontalen Gliederung eines Grubenbaues ergaben sich auch aus der Abbautechnologie weitere Untergliederungen. Diese wurden als Sohlen schlechthin oder als Gezeugstrecken bezeichnet und meist numeriert. Die „halbzweite“ Sohle beziehungsweise Gezeugstrecke liegt dabei zwischen der ersten und zweiten Gezeugstrecke, die Nummerierung der beginnt unterhalb der (zum Benennungszeitraum gültigen) Hauptstollnsohle, in absteigender Tiefe: halberste, erste , halbzweite und so weiter.
Das Profil einer Strecke oder eines Stollens ist die rechtwinklig zum Verlauf („Streichen”, siehe Streichen eines Ganges) des Grubenbaues vorhandene Querschnittsfläche, deren Größe und Gestalt charakteristisch für den Zeitraum der Anlage des Grubenbaues ist (vergleiche
Abbildung 10: Strecke und Stolln: Begriffe | |
1) Haldenzug auf Erzgang; 2) Erzgänge; 3) Stollnmundloch am Hang mit davor liegender Halde; 4) Rösche des Stollns (Entwässerung); 5) Stolln (besitzt Tagesöffnung); 6) Strecken (ohne Tagesöffnung); 7) Abbaue auf einem Erzgang, der vom Stollen überfahren wird |
auch Abbildung 63). In Abbildung 10 sind verschiedene Begriffe zu Stollen und Strecken erläutert.
Daneben gibt es noch die ebenfalls horizontal verlaufenden Röschen. Röschen sind untertägige, zur Weiterleitung von Betriebswasser aufgefahrene Hohlräume. Sie versorgten zum Beispiel Wasserräder mit dem nötigen Betriebswasser (Aufschlagrösche) oder führten das genutzte Wasser ab (Abzugsrösche). Ein unter Tage geführtes Teilstück eines Grabens der bergmännischen Wasserwirtschaft ist ebenfalls eine Rösche. Entsprechend haben Röschen ebenfalls meist eine, gelegentlich zwei und nur selten keine Tagesöffnung (wenn das von einem Rad schon genutzte Wasser einem weiteren Wasserrad unter Tage zugeführt wird) und dienen oft als Zugänge zu bergbaulichen Anlagen. Das als Steinschleuse gesetzte Wassergerinne vom Stollnmundloch in die Vorflut wird ebenfalls als Rösche bezeichnet.
6.1.2 AbbaueWährend Stollen, Schächte und Strecken eine Lagerstätte zugänglich machen, sind Abbaue der Ort, an dem die nutzbaren Minerale gewonnen werden. Es sind je nach Typ der Lagerstätte langgestreckte, schmale, tafelförmige Hohlräume (steilstehend: Gangbergbau, flachliegend: Flözbau) oder mehr rundliche oder schlauchartige Weitungen (Stockwerksbau). Diese Räume können offen, abgesoffen (wassergefüllt) oder ganz oder zum Teil mit Massen gefüllt (versetzt) sein. Die Größe der Abbaue reicht von kleinen „Aushieben” in der Firste oder Sohle einer Gangstrecke bis zu 50 m langen und breiten und 30 m hohen saalartigen Weitungen beim Stockwerksbau. Als Erz wurden meist einzelne Minerale gesucht, vom Nebengestein wurde nur so viel abgebaut, wie unbedingt nötig. Soweit möglich wurde es, wenn es schon mit abgebaut werden mußte, dennoch in der Grube belassen.
Die Befahrung von Abbauen gehört neben dem Aufsuchen von Standorten technischer Einrichtungen zu den wichtigsten Tätigkeiten bei einer bergbauhistorischen Aufnahme, da ja hier der Ort ist, weswegen eigentlich Bergbau betrieben wurde. Geologische und lagerstättenkundliche Verhältnisse lassen sich im Abbau am besten studieren, weil der Gang oder Erzkörper meist noch teilweise ansteht oder wenigstens die Ausdehnung der erzführenden Partien sichtbar wird. Der trotz häufig schwieriger Befahrungsbedingungen erlangte Erkenntnisgewinn lohnt in den meisten Fällen den Aufwand.
a) Gangbergbau: 1) Strossenbau mit Versatz; 2) Strossenbau ohne Versatz; 3) Firstenstoßbau; 4) Firstenbau ohne Versatz; 5) Firstenbau mit Versatz und ausgesparten Rollöchern; A) Grundstrecke | b) Stockwerks- oder Weitungsbau: 1) Tagebau; 2) Haspelschächte; 3) Weitungen | |
c) Kammerpfeilerbau: Prinzipdarstellung, stehengelasssene Pfeiler stützen die Firste über großen Abbauhohlräumen | d) Magazinbau: 1) Untere Sohlstrecke; 2) Überhauen; 3) gewonnenenes Erz; 4) anstehendes Erz; es werden große Gesteinsmassen mit einem Mal durch Sprengungen gelöst und unten abgezogen, nicht wie beim Firstenstoßbau gezielt über Rollen abgefördert | |
Abbildung 11: Abbauformen | a) und b) nach[12], d) aus [31] | |
Betrachten wir zunächst den Gangbergbau! Für den Abbau einer Lagerstätte auf Erzgängen gibt es verschiedene Technologien, wie Firstenbau (in verschiedenen Varianten; von unten nach oben geführt), Strossenbau (von oben nach unten), Kammerpfeilerbau und Magazinbau. In Abbildung 11 sind die genannten Formen des Abbaus erläutert. Über die weiteren Arten und die genauen technologischen Abläufe informiert man sich in der Fachliteratur (zum Beispiel [13]). Strossen- und Magazinbau hinterlassen bedingt durch das angewendete technische Verfahren große leere Räume, man sp
Teufe steht bergmännisch für Tiefe, aber auch als Bezeichnung für einen vertikalen Grubenbau, der gerade geteuft beziehungsweise abgeteuft, also niedergebracht wird.
Abbildung 12: Offen durchgebauter Gang | Foto: privat |
Abbildung 13: Abgesetzte Schächte |
Bis 40 m bei fast seigeren Schächten, sonst in der Regel bis 25 m |
Weitungsbaue, wie sie zum Beispiel in allen erzgebirgischen Zinnrevieren vorkommen, erinnern in ihrer Gestalt an die großen Säle in Höhlen. Im Gegensatz zu Höhlen ist die Gefährdung des Befahrers durch Steinschlag in einer Weitung in der Regel größer, zum Beispiel deshalb, weil man durch die Größe des Raumes an der Firste hängende Ablöser schlecht sieht und die Weitungen durch ihr großes, manchmal durch Sprengen mit das Gebirge auflockernden brisanten Sprengstoffen entstandenes, Volumen statisch unsicherer sind als beispielsweise eine Schlägelstrecke oder eine durch Lösungsprozesse ohne Auflockerung des Nebengesteins entstandene große Höhle.
In Kalkwerken wird der Kalk häufig im sogenannten Kammerpfeilerbau gewonnen (siehe oben und Abbildung 11). Die dabei entstehenden großen Abbauräume sind durch stehengelassene Pfeiler unterteilt, welche die Standfestigkeit des Abbaus gewährleisten sollen.
{mospagebreak}6.1.3 Schächte
Schächte sind mehr oder weniger vertikal verlaufende schlauchartige Grubenräume. Nach ihrer Lage zur Tagesoberfläche, ihrer Vortriebs
Gesenke (auch: Abteufen, von oben nach unten vorgetrieben) unterschieden. In Kunstschächten befanden
Abbildung 14: Schächte: Begriffe | |
1) seigerer Richtschacht; 2) tonnlägiger Schacht im Gangeinfallen; 3) Gesenk (kleiner Blindschacht); 4) Ausst |
sich Einrichtungen zur Wasserhebung, in Treibeschächten wurde gefördert. Diente ein Schacht mehreren Zwecken (häufig: Kunst- und Treibeschacht), war er oft in durch Vertonnungsbretter (Holzkonstruktionen) oder Schachtscheider (Mauern) in mehrere Trümer (Schachtabschnitte mit unterschiedlicher Funktion) unterteilt, häufigstes Beispiel: Fördertrum und Fahrtentrum. Als Durchschnittschacht bezeichnet man einen größeren Verbindungsschacht zwischen zwei Sohlen, meist zur Förderung oder Fahrung, ein Richtschacht ist ein lotrecht geteufter Schacht. Schächte können seiger (auch: saiger, senkrecht), tonnlägig (schräg mit 85° bis 45° Neigung gegen die Horizontale) oder flach (schräg mit 40° bis 15° Neigung) einfallen. Im ältesten Bergbau trifft man mancherorts sogenannte Stufenschächte an; diese tonnlägigen Schächte besitzen, bedingt durch die angewandte Vortriebstechnologie (Schlägel und Eisen; von oben nach unten) in ihrem Liegenden Stufen (manchmal nur angedeutet, siehe auch Abbildung 63) über einen Teil oder die ganze Breite des Schachtes. Ebenfalls im Altbergbau häufig sind abgesetzte Schächte, sie sind in ihrer Bedeutung für den Grubenbau als durchgehender Schacht zu interpretieren, wurden jedoch wegen der beschränkten beherrschbaren Seillänge am Haspel (15 bis 40 m) in wenige Meter gegeneinander versetzte Teilstücken gegliedert (Abbildung 13), die oft gleichzeitig Abbauniveaus kennzeichnen.
6.1.4 Noch mehr FachjargonJeder Ort im Bergwerk wird vom Bergmann auch als Ort bezeichnet. Ort alleine steht meist für den Punkt, an welchem gearbeitet wird. Eine Strecke geht vor Ort, wenn sie im festen Gestein endet, das heißt wenn sie nicht weiter getrieben wurde, das Ende heißt auch Ortsbrust. Ansonsten gibt es typisch Füllort (der Ort, wo die Fördertonne (Tonne oder Kübel) gefüllt wurde, also an der Verbindung zwischen Strecke und Schacht), das Haspelort als Standort des Haspels, den Abort und so weiter. Die Sohle ist der „Fußboden“ eines unterirdischen Hohlraumes, die Firste seine „Decke“, die Wände werden als Stöße bezeichnet. Wetter nennt man die Luft im Bergwerk, entsprechend Bewetterung die Belüftung, matte Wetter bedeuten „dicke Luft“. Ein Mundloch ist eine Öffnung nach über Tage, das Geleucht die Lichtquelle des Bergmanns. Letten steht für Lehm.
6.2 Technische EinStandorte technischer Einrichtungen sind alle Grubenbaue, die zur Errichtung einer Maschine aufgefahren wurden. Dazu gehören Radstuben (Standorte von Wasserrädern, im nichtsächsischen Sprachraum auch Radkammern), Räume für Wassersäulenmaschinen, Turbinen- und Pumpenkammern, Haspelorte und andere. Die dort befindlichen technischen Ein
Abbildung 15: Sprachrohr | Foto: privat |
Im frühen Wismut-Bergbau wurden häufig Sprachrohre zur Verständigung zwischen verschiedenen Füllorten in Schächten eingesetzt |
Radstuben und Räume für Wassersäulenmaschinen erreichen zum Teil eine beachtliche Größe, 15 m Höhe (und mehr!) sind durchaus üblich. Falls man nicht sowieso über einen Schacht dahin kommt, beachtet man die Sicherungsregeln wie bei offenen Schächten und Abbauen. Vom Wellenort (Mitte) der Radstube gehen manchmal separate Gestängeschächte nach oben und unten, die vom eigentlichen Schacht getrennt sind. Auch bei anderen Maschinenstandorten kann man zuweilen aus der Funktion auf das Vorhandensein und die Lage weiterer Baue schließen, die man zum Weiterkommen nutzen kann.
Noch vorhandene Wasserräder dürfen nur vorsichtig angefaßt werden, und das nicht nur aus Denkmalschutzgründen. Oft hält sie nur noch Siemens-Lufthaken zusammen oder der Berggeist demonstriert dem innen hochlaufenden Befahrer, wie ein Hamstertretrad funktioniert. Achtgeben muß man gleichfalls bei noch vorhandenen Einbauten auf lose hängende Maschinenteile (Rohre, Gestänge und so weiter), die zuweilen nur darauf warten, einem Befahrer auf den Kopf fallen zu können. Sicherungsarbeiten, die nicht der Herstellung gefahrloser Befahrungsmöglichkeiten dienen und nur den weiteren Verfall unterbinden sollen sind, wenn eine Anlage nicht museal genutzt werden soll, ohnehin schwer durchführbar und nach Meinung der Verfasser verfehlt, genauso wie sinnloses Bereißen oder das Abbauen und Mitnehmen von Teilen, die an die Anlage gehören (ausgenommen herumliegende Ersatzteile). Man soll das Denkmal akzeptieren wie es ist, auch seinen meist nicht aufzuhaltenden Verfall; dieses gilt für alle untertägigen Gegebenheiten, nicht nur für Maschinen! Der Dokumentation des Ist-Zustandes einer Anlage und die dazugehörigen Studien am Archivgut bilden die Grundlage einer bergbauhistorischen Dokumentation, aus der dann die Rekonstruktion der Funktionsweise einer Maschinenanlage mit vielen technischen Details möglich wird. Eine gute Übersicht über technische Einrichtungen und deren Standort gibt zum Beispiel [12].
Abbildung 16: Arbeit mit Schlegel und Eisen | |
Links) Arbeit mit Schlegel und Eisen, Darstellung aus Georgius Agricola; Oben) Vortriebs | |
Links) Georgius Agricola, Reproduktion aus [12] |
6.3 Arbeitsspuren und Gerätschaften
Die bergbauliche Tätigkeit hinterläßt eine Menge Spuren, die sich an Firste und Stößen wiederfinden und auf ganz leichte Weise Rückschlüsse zulassen. Ein typisches Beispiel sind die Prunen (Brunen, Prunnen, ...), die Spuren des Eisens bei der Schlägelarbeit. An ihrer Aus
Ebenfalls im alten Bergbau finden sich gelegentlich Lampennischen, in denen der Frosch (eine offene Öl- oder Fettlampe), eine Schalenlampe oder der Kuckuck stand (ein Kuckuck ist Ölkännchen mit Deckel und Docht, als „Leuchtmittel“ in einer Lampennische oder eingebaut in ein Holzgehäuse mit Reflektor, einer sogenannten Blende). Bisweilen findet man einen Lehmklumpen am Stoß, der als Kienspanhalter diente, und nicht weit entfernt die dazugehörigen Kienspäne (Abbildung 17).
Abbildung 17: Ein Lehmklumpen als Kienspanhalter, unweit davon die Kienspäne | Fotos: privat | |
Im jüngeren Bergbau lassen sich dagegen oft Reste von Bohrlöchern erkennen, mit Durchmessern bis 6 cm aus der Anfangszeit des Schießens (Sprengens) bis in den modernen Bergbau mit Durchmessern um 3 cm (Abbildung 18).
Abbildung 18: Bohrlochformen | |
a) mit Hand gebohrtes Bohrloch zum Schießen mit Pulver; b) wie a), der gezeichnete kleinere Innendurchmesser stammt vermutlich vom Vorbohren, was nur selten vorgefunden wird; c) mit der Maschine gebohrtes Loch zum Schießen mit brisanten Sprengstoffen; d) unrunde Querschnittsformen allgemein durch Unzulänglichkeiten beim Umsetzen des Meißels, hier abgebildete Form und Größe typisch für eine Vertikalbohrmaschine der Anfangszeit solcher Maschinen |
Noch größere Bohrlöcher in vertikaler Richtung deuten auf das Einkommen einer Erkundungsbohrung hin. Sind Prunen und Bohrlöcher kombiniert, kann es sich um das Nachreißen (Vertiefen, Erweitern allgemein) einer alten Stecke oder aber um Nacharbeiten von Hand an einer geschossenen Strecke handeln. Bohrlöcher mit unrundem Querschnitt sind von Hand oder mit einer alten Maschine gebohrt.
Abbildung 19: Laufbahn für Spurnagelhunt |
Maßangaben in cm. Nicht verwechseln mit normalem Tragwerk! Weitere wichtige Merkmale: Einlaufspruren, gleichmäßig parallele Lage über lange Strecken und dickere Bretter als gewöhnlich |
Treten in einem sonst geraden Streckenverlauf plötzlich starke seitliche und/ oder Höhensprünge auf, ist man möglicherweise an einem Durchschlag einer im Gegenortbetrieb (von zwei Seiten aus) aufgefahrenen Strecke gelandet. Der dabei aufgefahrene Bogen ist Absicht und kein Fehler des Markscheiders! Durch die Richtung der Bohrlöcher oder der Prunen kann man dies nachprüfen. An so einem Punkt sperrt man die Augen bezüglich Markscheiden, Stufen und Jahreszahlen besonders auf!
Abbildung 20: Schleifspuren des Treibeseils im Hangenden eines Schachts | |
Detail mit Erläuterungen aus einem unveröffentlichten Bericht |
Bei genauerem Hinsehen entdeckt man bisweilen noch ganz andere Sachen, beispielsweise die in Abbildung 20 gezeigten Schleifspuren des Haspelseils am Stoß.
Abbildung 21: Haspel, Wismut um 1950 | Foto: privat |
Abbildung 22: Spankorb | Foto: privat | ||
Wesentlich seltener als solche Arbeitsspuren findet man noch vorhandene Gerätschaften, wie Spankörbe (Abbildung 22), Krüge und Schalen, Bergeisen und Fimmel (Schlegel, der Holzstiel heißt auch Helm) aus dem ganz alten Bergbau, da diese Dinge natürlich für die Besitzer wertvoll waren und nicht ohne Not in der Grube gelassen wurden. Ein altes Geleucht (bergmännisch für Lampe) zu finden ist ein unwahrscheinlicher Glückstreffer. Aber auch die Laufbahnen für
Abbildung 23: Kerbhölzer? Maßstäbe? | Foto: privat |
Spurnagelhunte (Abbildung 19), Wasserröhren (Abbildung 24), Haspel (Abbildung 21), Kerbhölzer (Abbildung 23) und so weiter wurden schon in alten Bauen des Erzgebirges gefunden. Öfter Glück hat man mit Flaschen, Karbidlampen und Gezäh (Arbeitsgeräten) aus dem Wismut-Bergbau. Alle diese Dinge, wenn sie denn erst einmal erkannt sind, sollten mit Vorsicht behandelt und lieber für eine weitere Befahrung liegengelassen als durch Hast zerstört werden. Zu Dokumentation und Bergung gibt’s weiteres in Kapitel 10.7.
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6.4 Inschriften, Tafeln, StufenAbbildung 24: Wasserröhren mit Konus zum Verbinden | Foto: privat | |
Neben den eigentlichen Arbeitsspuren, die mehr oder weniger unabsichtlich hinterlassen wurden, wurde vom Bergmann auch an wichtige Ereignisse erinnert, Orientierungspunkte unter Tage geschaffen und natürlich rechtlich relevante Punkte in der Grube gekennzeichnet. Am einfachsten geschah dies durch gemalte Holztafeln, aufwendiger waren schon Holztafeln mit vertieften
Abbildung 25: Verschiedene Tafeln | Fotos: privat | ||
Links oben) gemalte Tafel; Rechts oben) geschnitzte Holztafel; Links unten) in den Stoß gehauene Tafel; Rechts unten) über Tage vorbereitete Steintafel in den Stoß gesetzt | |||
Abbildung 26: Gangtafel | Foto: privat |
Schriftzügen, am dauerhaftesten wurden solche Dinge in den Stoß geschlägelt oder eine über Tage vorbereitete Steintafel wurde unter Tage in eine vorbereitete Nische eingesetzt oder am Stoß befestigt.
6.4.1 Gang- und FundtafelnSehr typisch und auffällig sind im Freiberger Revier die Gangbezeichnungen an Streckenkreuzen (Abbildung 26), für die ab etwa 1835 eine Bezeichnungspflicht bestand. Ebenfalls auffällig sind die Fundtafeln (Abbildung 27), die neben dem Namen des Ganges das Jahr und den oder die Namen des jeweiligen Geschworenen beinhalten.
Abbildung 27: Fundtafel und Erläuterung | ||
(Geschworener: Johann Carl Gottlieb Beutel) | ||
6.4.2 Quartals- und Gedingezeichen
Unscheinbarer sind dagegen die Quartalswinkel (Abbildung 29), mit denen ab dem 16. Jahrhundert jedes Quartal der Streckenfortschritt und zugleich die Vortriebsrichtung gekennzeichnet wurde.
Die Quartale bezeichnen Jahresviertel, und zwar
I Reminiscere: St. Luciae (13. Dezember) bis Fastnacht
II Trinitatis: Aschermittwoch bis Pfingsten
III Crucis: Pfingsten bis Kreuzerhöhung (14. September)
IV Luciae Kreuzerhöhung bis St. Luciae.
SQL Manchmal beginnt Reminiscere am 1. oder 6. Januar, dann gibt es von Luciae bis Reminiscere ein Schluß-Quartal Luciae.
Abbildung 28: Beispiele für Jahrestafeln mit Quartalswinkel |
Abbildung 29: Quartalswinkel |
Nicht ins Bockshorn jagen lassen – es gibt verbürgte Fälle, in denen der Winkel in die falsche Richtung zeigt! Die Quartalswinkel wurden zuweilen mit Jahreszahlen und Entfernungsangaben kombiniert, im Revier Freiberg mußte ab 1785 am Ende des Quartals Lucia die Jahreszahl mit einem solchen Winkel kombiniert eingehauen werden. Abbildung 28 zeigt Beispiele für solche Tafeln aus dem Freiberger, Abbildung 30 ein Beispiel aus dem Marienberger Bergbau. Nach Adlung ([9]) stammt der Winkel von „L“ wie Lucia. Früher gab
Abbildung 30: Jahrestafel mit Quartalswinkel und Entfernungsangabe | Foto: privat |
Die Tafeln wurden über Tage vorbereitet und unter Tage eingesetzt |
es nach neuesten Forschungen (Adlung, unveröffentlicht) für jedes Quartal ein eigenes Kürzel: Reminiscere „Z“, Trinitatis „T“, Crucis „Γ“ und Luciae „L“. Leider gibt es noch keinen einwandfreien Beleg am Stoß in dieser Reihenfolge.
Abbildung 31: Freiberger Gedinge unter Tage | Foto: privat |
Freiberger Gedinge, kombiniert mit Quartalswinkel, für das Nachreißen von Firste und Strosse, Morgensterner Revier |
Abbildung 32: Freiberger Gedinge | Abbildung 33: Schneeberger Gedinge | |
a) Strecken-, Stollenvortrieb; b) Nachreißen der Firste; c) Nachreißen der Strosse; d) Nachreißen von Firste und Strosse; e) Schachtabteufen |
Eine andere Gruppe von Zeichen bilden die Gedingezeichen, kurz Gedinge. Ein Gedinge bezeichnet in den meisten Fällen eine Vereinbarung über eine bestimmte Arbeitsleistung gegen ein festgelegtes Entgelt, unabhängig von der benötigten Zeit (wie noch heute gebräuchlich als „Stücklohn-“ oder „Akkord-“ Arbeit). Das Gedingezeichen bildete den Ansatzpunkt zum Aufmaß des verdingten Abschnitts. Üblich waren Gedinge im Stolln- und Streckenvortrieb und beim Nachreißen von Firste und Stoß einer Strecke, aber auch beim Schachtabteufen und im Abbau wurde verdingt. Für die Freiberger Gegend typisch sind die in Abbildung 32 gezeigten Formen des Freiberger Gedinges, im Obergebirge (Verbreitungsgebiet etwa Schneeberg – Joachimsthal – Annaberg – Marienberg) trifft man die „Mercedessterne“, das Schneeberger Gedinge häufig an (Abbildung 33). Gedinge waren üblich im 16. bis zuletzt ins 19. Jahrhundert, gelegentlich wurden auch die Gedingezeichen mit Zusätzen (Jahreszahlen oder dergleichen) versehen.
6.4.3 Markscheiden und VerstufungenAbbildung 34: Stufen | Foto: privat | |
Links oben) Vierte-Pfennig-Stufe; Links unten) Beginn der Fundgrube; Rechts) Doppelkreuz (Verstufung) | ||
Abbildung 35: Stufen mit noch unbekannter Bedeutung | Fotos: privat | ||
Rechtlich besonders relevant Stellen wurden entsprechend auffällig unter Tage gekennzeichnet. Solche Stellen sind Markscheiden an Grubenfeldgrenzen, die durch sich an den Stößen gegenüberliegende, fette Kreuze vermerkt wurden, häufig als Malteserkreuz. War zu erwarten, daß ein solches Kreuz absehbar nicht lange lesbar sein würde (Löser, Liegendes einer stark geneigten Strecke), wurden die Kreuze auch mal übereinander gesetzt (Abbildung 36). Einfache, dünne Kreuze kennzeichnen oft unbedeutendere Vermessungspunkte. Diese Kennzeichnungen sind jedoch zeitlich und regional stark unterschiedlich.
Abbildung 36: Kennzeichnung einer Markscheide | |
links) Malteserkreuz; rechts) zwei übereinander stehende Kreuze als Kennzeichnung einer Markscheide (in der Regel jedoch an gegenüberliegenden Stößen) |
Weitere Stufen sind beispielsweise die Vierte-Pfennig-Stufe, die das Einkommen eines Stollns in ein Grubenfeld und damit das Enterben dieser Grube beziehungsweise eines höher gelegenen Stollns markieren (Abbildung 34, Enterben: Der Hersteller und Betreiber eines Entwässerungsstollns erhielt von der Grube einen Anteil als Entschädigung, meist ein Neuntel des Gewinns (das Stollenneuntel). Er ging dessen verlustig, wenn ein tieferer Stolln die Entwässerung übernahm, sein Stolln enterbt wurde. Als minimal erforderlicher Höhengewinn wurden bald 10 Lachter ~ 20 m festgelegt).
Wurde ein Stolln durch zwei verschiedene Rechtsträger getrieben, wurden die Abschnitte durch eine Verstufung (Abbildung 34) markiert. Die Bedeutung anderer Stufen ist zur Zeit noch unklar, möglicherweise wurden sie nur lokal verwendet (Abbildung 35). Rückschlüsse auf deren Bedeutung erfordern zunächst eine ganze Menge Material mit exakten Beschreibung der Fundumstände, insbesondere der Lage zu Stolln, Schächten und so fort.
Markscheiden und andere Stufen sind oft farblich hervorgehoben, durch Auslegen mit Rötel (angerührtem Ziegelpulver) oder weißem Letten (Lehm, Ton), bei weniger bedeutenden Vermessungspunkten oder einfachen Gedingen hat man das nicht so oft. Sehr detailliert ist das Thema zum Beispiel in [9] behandelt, von dort stammen auch zahlreiche Vorlagen zu den Zeichnungen.
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6.4.4 Polygonpunkttafeln
Abbildung 37: Polygonpunkttafel |
Im Wismut-Bergbau wurde eine ähnliche Form der Orientierungsangaben üblich, die Polygonpunkte (siehe Kapitel 10.4.1) der untertägigen Vermessung erhielten Holz- oder Metallschildchen mit der Streckennummer, der Nummer des Polygonpunktes, Entfernungs- und/ oder Höhenangaben (Abbildung 37 und Abbildung 38). Diese Tafeln sind übrigens wichtige Orientierungshilfen, gerade wenn man Zugang zu Wismut-Rissen hat, und sollten nicht mutwillig zerstört werden!
Abbildung 38: Polygonpunkttafel und Lage der Tafeln auf einem Polygonzug | Foto: privat | |
Links) Weiteres Beispiel für eine Polygonpunkttafel. 1/90: 1. Punkt auf Strecke 90; 11,223: Länge vom Ausgangspunkt; 479,657: Höhe Firste; 477,459: Höhe Sohle (jeweils absolut); Rechts) Darstellung eines Polygonzuges und Lage der zugehörigen Tafeln in einer Strecke | ||
6.4.5 Und noch mehr...
Bisweilen sind besonders wichtige Stellen und Ereignisse mit Jahreszahlen versehen, was natürlich für den Forscher ein besonderer Grund zum Jubeln ist. Die bisher älteste, derzeit noch zugängliche Jahreszahl im erzgebirgischen Bergbau ist eine 1551 im Raum Glashütte. Jahreszahlen ohne Angabe der ersten zwei Ziffern stammen mit Sicherheit aus dem 16. oder 17. Jahrhundert (oder sind noch älter, aber das glaubt dann keiner mehr). Nicht verwechseln mit Jahreszahlen darf man aber Entfernungsangaben, das muß man etwas nach der Fundsituation, der Schrift und ähnlichem beurteilen.
Abbildung 39: Verschiedene Tafeln | Fotos: privat | |
Links) Jahrestafel; Rechts) IHS | ||
Daneben wurde noch alles mögliche in Stein verewigt – an die Schießtafeln in der Alten Elisabeth in Freiberg sei erinnert, es gibt Initialen als Erinnerung an verunglückte Bergleute, künstlerisch gestaltete Wappentafeln zur Erinnerung an die Besuche hoher Persönlichkeiten, Tafeln zum Gedenken an geglückte Durchschläge, Gewölbetafeln und so fort. Manchmal lassen sich solche Tafeln anhand der Grubengeschichte bestimmten Ereignissen zuordnen, dies ist der schönste Fall, oder ihre Entstehung verliert sich im Dunkeln – dann sind sie bisweilen Anlaß für Sagen, wie die Tafel des Hans Benel am Donatschacht in Freiberg oder die Drei Köpfe in Schneeberg.
Es gibt noch eine besondere Art von Tafeln – die, welche gar nicht existieren. Ist man im Altbergbau unterwegs, so narren einen nach angestrengtem Absuchen der Stöße mit der Zeit die Prunen und gaukeln alles mögliche vor – vom Mercedesstern bis zur Jahreszahl. Auch wenn man gerade nicht besoffen ist!
Abbildung 40: Herausgebrochene Tafel | Foto: privat |
Grube bei Annaberg (eventuell betriebsbedingt aus der ursprünglichen Lage entfernt) |
Gerade bei Tafeln ist der Inhalt wichtig und so leicht per Skizze auf einem groben Handriß festzuhalten. Was Leute dazu bringt, die Dinger – zum Beispiel bei Wolkenstein, wo sie nur in den Stoß eingesetzt sind - aus dem Bergwerk herauszuschleppen, versteht der Kuckuck. In zwei Stunden Handarbeit hat man drei solcher Tafeln selber hergestellt – dies nur, um die Preise zu relativieren und etwas vom Anreiz gewerblicher Plünderer abzuknapsen. Besonders peinlich sind halbstarke Versuche, bei denen die Tafel zwar herausgebrochen, aber dann nicht weiter bewältigt und 20 m vom Ursprungsort entfernt fallen gelassen wird. Bisweilen wurden Tafeln auch schon im Betriebsablauf zerstört. Die authentischste Art, eine Tafel zu erhalten, ist eine Abformung herzustellen und diese nach einem Foto originalgetreu einzufärben. Wie’s geht, steht im Kapitel 10.6.
Neben all diesen hochwissenschaftlichen Dingen gibt’s natürlich auch jede Menge Spaß unter Tage. Männer sind doch Schweine, und so findet sich dort, wo sie unter sich waren, auch Erotik in Stein und Ton. Die heile Welt oder auch Propaganda verewigte man im Bergwerk, zum Beispiel in der sehenswerten Maschinenkammer in Sadisdorf, in Annaberg und anderswo. Und kleine Neckigkeiten waren und sind an der Tagesordnung – die Teufelsstiege im Willi Agatz (Steinkohlen- und Uranbergbau im Döhlener Becken), die Mitteilungen der AG Weg und dezente Hinweise an die Mitarbeiter der Bergsicherungsbetriebe über ihr ewiges Zuspätkommen zeugen vom inneren Trieb des Menschen zur fröhlichen Bosheit.
Abbildung 41: Nicht ganz bierernste Tafeln und sonstiger Schweinkram... | Fotos: privat | |
Links oben, Links Mitte) Maschinenkammer Sadisdorf; Links unten) Ag Weg; Rechts oben) Wie wir Männer so sind...; Rechts unten): der Gumpicht ist überall! | ||
6.5 Ausbau
Abbildung 42: Pilzmyzelbehänge an einem Türstock | Foto: privat |
Ganz kurz werden hier die verschiedenen Dinge, die unter den Begriff „Ausbau“ zählen, angerissen. Gründlicher zur Sache geht es im Kapitel 12, wo zu den verschiedenen Mauerungs- und anderen Ausbauarten auch noch deren Herstellung beschrieben wird.
6.5.1 Ausbau von Strecken und Schächten zur Sicherung der StandfestigkeitDer Ausbau von Stollen und Strecken dient zum Schutz gegen Steinfall und Verbruch sowie zum Festhalten von Verfüllmassen zum Beispiel in über der Gangstrecke liegenden Abbauräumen. Er war oft aus Holz, vom 19. Jahrhundert an bis in die heutige Zeit auch aus Stahl und etwa seit Ende des 17. Jahrhunderts wurden in größerem Umfang Mauerungen (Gewölbe und Stützmauern) aus Naturstein oder Ziegeln verwendet. Sind Gewölbe oder Mauern ohne Bindemittel ausgeführt, werden sie als trocken gesetzt bezeichnet.
Weisen Mauern und Stahlausbau keine großen Verformungen auf, können sie als standfest angesehen werden. Vorsicht geboten ist bei durchhängenden, seitlich ausgebauchten oder gar durchschlagenen Gewölben und bei Stahlausbau, der soweit durchgerostet ist, daß er sich unter der Auflast verbogen hat. Will man am Stahlausbau irgend etwas befestigen (beispielsweise ein Seil) oder auf Stahlträgern über einen Schacht laufen, sieht man sich vorher genau an, wo die Stahlkonstruktion befestigt ist, da manchmal zwar die Ausbauelemente noch gut erscheinen, aber das Auflager im Gestein wacklig ist oder Verbindungselemente weggerostet sind. Der bei Befahrungen anzutreffende Holzausbau ist in der Regel nicht älter als 50 Jahre (Abbaue ausgenommen). Unbehandeltes Holz verliert nach fünf, spätestens nach zehn Jahren seine Tragfähigkeit durch Fäulnis und Pilzbefall (Abbildung 42) und ist daher grundsätzlich kritisch zu betrachten.
Besonders hinterhältig sind Nagelfäule und Trockenfäule. Die erstere hat mit der eigentlichen Fäulnis des Holzes nichts zu tun, hier sind die Holzteile (vor allem Fahrten!) noch ziemlich gut, die Befestigungselemente (Nägel, Fahrthaken) jedoch korrodiert und das Holz ist dort, wo der Nagel durchgeht, angegriffen. Gemein ist so etwas besonders auf genagelten Fahrten aus den 50er Jahren, bei denen die Sprossen nicht in die Holme eingelassen sondern in der Art einer Dachdeckerleiter nur aufgenagelt sind: steigt man auf der Fahrt, passiert es, das man plötzlich die noch festen Sprossen in der Hand hat oder gleich mit mehreren oder gar der herausgebrochenen Fahrt nach unten saust!
Abbildung 43: Fahrten | ||
Links) Fahrt mit geschwungenen Sprossen; Rechts) a: Fahrt mit geraden, eingelassenen Sprossen; b: Fahrt mit aufgenagelten Sprossen, so etwas findet man ab und zu im Wismut-Bergbau der 50er, als Befahrervariante grundsätzlich ungeeignet (unsicher!), wenn doch eingesetzt, Niro-Spanplattenschrauben verwenden und darauf achten, daß die Sprossen in den Kerben am Holm aufstehen und die Schrauben nicht auf Zug belastet werden; c) das ist keine Fahrt! | ||
Die Trocken- oder Würfelbruchfäule wird von Braunfäulepilzen hervorgerufen, die das Holz nicht vollständig zersetzen. Es bleibt also das Holzstück, zum Beispiel ein Stempel, im Idealfall stehen und sieht von außen noch gut aus. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit unter Tage bekommt das Holz auch nicht gleich die charakteristischen Längs- und Querrisse der Würfelbruchfäule. Stößt man das Ganze an oder rüttelt an einer Fahrt, kann man zunächst einmal weit in das Holz hinein greifen und wenn es schon ordentlich durch ist, bleibt nur ein Haufen Moder und ein Besenstiel (der widerstandsfähige Kern) von dem vorher noch so gut aussehenden Ausbauholz. Holz, welches ständig von Wasser berieselt wird, vor allem von schwermetallhaltigem, oder unter Wasser liegt, ist oftmals besser erhalten, als solches, was auf dem Trocknen steht; darauf hundertprozentig verlassen sollte man sich aber nicht!
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6.5.2 Fahrten
Abbildung 44: Ein Gefluderkasten fängt das in einem Gequelle gesammelte Wasser auf und leitet es in ein Gerinne | Foto: privat |
„Fahrt“ ist der bergmännische Ausdruck für eine Leiter. Die frühesten erhaltenen stammen schätzungsweise aus dem 16. Jahrhundert (Ehrenfriedersdorf; in Böhmen wahrscheinlich noch älter). Bis in’s 19. Jahrhundert hat sich die geschwungene Sprossenform gehalten, bei der die Materialstärke dem Biegemoment angepaßt ist und die so für sparsamen
Abbildung 45: Tragewerk | ||
Links) Tragewerk mit Holz- oder Stahlträgern (1 Spreizen, 2 Laufbretter); Rechts) Tragewerk auf gemauerten oder gesetzten Bögen (1 Tragbögen, 2 Laufbretter) | ||
Materialverbrauch sorgte. Moderne Fahrten haben gerade Sprossen, nach dem Krieg (50iger Jahre) wurden aber auch selbstgenagelte Hühnerleitern verwendet. Die alten Fahrten haben nur noch musealen Wert, und auch auf vergleichsweise neue Fahrten sollte man nicht vertrauen. Im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert setzte man auch Eisen als Fahrtenwerkstoff ein, manchmal nur für die Holme, zuweilen auch für die Sprossen. Auch dem Eisen ist nicht recht zu trauen, eine dicke Rostkruste hält zwar einiges aus, jedoch nur bis sie b
Abbildung 46: Gerinne über einen Schacht | Foto: privat |
6.5.3 Tragewerk und Gerinne
Die horizontalen Grubenbaue sind oft mit sogenanntem „Tragewerk” (Tragwerk) versehen, das sind hölzerne (auch eiserne oder steinerne) Spreizen (andere Begriffe: Querträger, Grundeinzüge, Fachwort: Scheißdinger) mit aufgelegten Laufbrettern (seltener Betonteilen oder Steinplatten). Das Tragewerk diente der Begradigung der Sohle um eine ungehinderte Fahrung und Förderung zu ermöglichen; es wurden damit die Wasserseige (ein in der Sohle ausgearbeitetes Gerinne zur Wasserführung) und offene Abbaue beziehungsweise Schächte überbaut. Bei der Altbergbaubefahrung hat man es meist nicht mehr mit den Laufbrettern und nur noch mit der Hälfte der Spreizen zu tun.
Gerinne (wenn im Anstehenden ausgeführt auch Gequelle) sind Einrichtungen zur gezielten Wasserführung im Bergwerk, in diesen wurde zum Beispiel Wasser gesammelt, welches an den Wänden herunterlief, aber nicht in einen weiter unten befindlichen Abbau gelangen sollte – dort hätte man es ja extra heben müssen. Weitere dazu nötige Einrichtungen waren sogenannte Gefluderkästen aus Holz (aus Brettern oder auch aus halben Baumstämmen) und Traufdächer.
6.6 Fauna und FloraBotaniker kommen im Bergbau nicht auf ihre Kosten. Lediglich die Lampenflora im statischen Licht verunstalteter Schaubergwerke bildet interessante Studienobjekte, ansonsten verhindert das fehlende Licht eine Vegetation. Sehr aktiv und wenig erforscht sind dagegen die verschiedenen Pilzarten, die Grubenhölzer und mit den Tagewässern eingeschwemmte Nährstoffe verwerten.
Ähnlich interessant wie mykologische (pilzkundliche) könnten sich auch bakteriologische Forschungen darstellen. Zum Beispiel geht es im Kapitel 7.2 um die Rolle der Bakterien bei der Entstehung saurer Grubenwässer.
Mit den Bakterien ist man schon halb im Tierreich. Höher entwickelte Tierformen (außer dem Menschen, Homo Montanus Freibergii) konnten in der Kürze der verfügbaren Zeit natürlich keine spezialisierten Anpassungen an den Lebensraum „Altbergbau“ herausbilden, wie das für Höhlen immerhin möglich war. Höhlenspinne und -heuschrecke wurden bereits im sächsischen Altbergbau beobachtet. Den Hauptteil der Fauna stellen „Gäste“, die den Altbergbau nicht ständig bewohnen, sondern ihn nur zeitweilig oder ungewollt aufsuchen. Fuchs und Dachs, Mäuse gehören dazu, Frösche und Kröten im Mundlochbereich sowie diverses Geflügel aus dem Insektenreich.
Allgemein gelten die gleichen Verhaltensregeln wie beim Umgang mit Wildtieren über Tage. Fuchs und Dachs (Tollwutgefahr bei beiden) werden sich beizeiten durch einen zweiten Ausgang verkrümeln, wenn in ihrem Reich jemand herumlichtert. Wo man sie doch zu Gesicht bekommt, haben sie Junge oder wurden in die Enge getrieben – dann sollte man lieber den Rückzug antreten, es könnte sonst bissig werden.
Eine Art wurde bisher nicht angesprochen, die Fledermäuse. Alle Arten sind nach der Naturschutzgesetzgebung ([BNatSchG], [SächsNatSchG], [BArtSchV]) entweder regional ausgestorben, vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet. Sie verbringen im Altbergbau wie in der Höhle ihren Winterschlaf und finden sich, je nach Bewetterungsverhältnissen, bis weit in den Berg. Man sollte wissen, daß sie während ihrer Schlafperiode - etwa Ende September bis Anfang April - ihre Körpertemperatur auf Umgebungstemperatur absenken und damit die Lebensfunktionen extrem verlangsamen. Die mittlere Temperatur im Bergwerk beträgt bei geringer Wetterbewegung ca. 5°C – 8°C, entspricht also etwa der Jahresmitteltemperatur.
Für jedes Erwachen, insbesondere für „Schnellstarts“ bei Störungen, benötigen sie große Mengen Energie, die ihnen zum Überleben bis ins Frühjahr fehlt. Solche Störungen sind auch nach [SächsNatSchG] untersagt. Neuere Forschungen haben gezeigt, daß Fledermäuse auch aus eigenem Antrieb mehrmals während eines Winterschlafes den Hangplatz wechseln können. Auch ein einmaliges, ungewolltes „Zwischenwecken“ bringt daher nicht gleich jede Maus zu Tode. Solange die Altbergbauforschung nicht zum kommerziell betriebenen Massentourismus ausartet, wäre es daher Blödsinn, generell auf Befahrungen in dieser Jahreszeit zu verzichten, zumal in der dunkleren Zeit in Sachsen die Befahrungsvoraussetzungen leider Gottes besser sind als im Sommer.
Stark belegte Objekte, bei denen man die Fledermäuse durch die örtlichen Verhältnisse zwangsläufig aufwecken würde, sind natürlich zu meiden. Ansonsten ist es selbstverständlich, daß man den Tieren nicht mit der Karbidlampe zu nahe kommt (gesamter Bereich unter dem Hangplatz!) und beim Fotografieren kein Blitzlicht verwendet - statt dessen mit langen Belichtungszeiten und statischem Lampenlicht arbeiten. Fackeln und offenes Feuer sind durch den entstehenden Ruß tödlich und vergiften das Quartier auf lange Zeit. Weiterführendes, speziell auch zur Artbestimmung, findet man zum Beispiel in [19] und [20] (kostenloser Versand).
Auch an dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß ein effektiver Schutz der Fledermäuse in der Winterperiode besser durch vernünftige Befahrungsbedingungen im Sommer als durch Totalverbote zu erreichen ist. Es ist hinzuzufügen, daß für das Aussterben der Fledermäuse letztlich nicht die Störungen durch Befahrer im Altbergbau verantwortlich ist (den gibt es nämlich erst seit ein paar hundert Jahren und er wurde vom Menschen erst geschaffen), sondern die allgemeine Zerstörung und Vergiftung ihres angestammten Lebensraumes durch wirtschaftliche Nutzung. Beim „sicheren Verschluß“ von alten Bergbauanlagen macht sich auch kaum ein dafür Verantwortlicher Gedanken über Fledermaus- und Amphibienschutz. Zu den eigentlich notwendigen Maßnahmen gibt es Ausführlicheres im Kapitel 16.5.3.